Leander Haußmanns Stasikomödie

War es wirklich eine gute Idee, 30 Jahre nach der Wende doch noch Einsicht in die Stasi-Akten bekommen zu wollen? Als der erfolgreiche Romanautor Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) sie bekommt und die ganze Familie schon drauf wartet, was denn da so drin steht, bekommt Ludger schon bei der ersten Akte – ein intimer Briefwechsel – kalte Füße. Er haut ab.
Denn Ludger war gar nicht der große Held, der in der DDR von der Stasi beobachtet worden war – er war es, der bei der Stasi beobachtet und notiert hat.
Anfang der 80er in Ost-Berlin: Ludger (David Kross) stolpert gewissermaßen in die Stasi-Mitgliedschaft, macht dann aber doch mit. Er soll die Künstlerszene im Prenzlauer Berg ausspionieren. Als er sich aber in Nathalie (Deleila Piasko) verknallt, gerät er mehr und mehr auch als Macher in diese künstlerischen Kreise.

Leander Haußmanns Stasikomödie hätte ein guter Film werden können – leider rutscht er sehr schnell in die Mittelmäßigkeit ab. Das liegt nicht nur an vielen mitunter seltsam plumpen Gags. Man hat zeitweise auch das Gefühl, dass es eigentlich mehr um die Hauptstadt-Underground-Kulturszene gehen sollte. Hinzu kommt: 32 Jahre nach der Wende sind Stasi-Gags auch irgendwie ausgelutscht. Irgendwelche Deppen zu zeigen, die irgendwelche Deppendinge tun, erscheint 2022 nicht mehr wirklich einfallsreich.
Auch gibt es manche Szenen, die mehr Fragezeichen als alles andere hervorrufen: Da veranstaltet der Stasichef (deppenhaft dargestellt von Bernd Stegemann) einen bizarren Maskenball, bei dem er mit einem Mal keinen Bock hat und das Orchester den „kleinen Trompeter“ spielen lässt, ein bei DDR-Bürgern extrem bekanntes Lied.
Da lässt Haußmann seine Hauptfigur in die „Schoppenstube“ gehen, die schwule Kneipe an der Schönhauser Allee. Da steht dann Karsten Speck hinter dem Tresen (bekommt er nur noch schwule Nebenrollen?), und Alexander Scheer singt in Frauenkleidern auf der Bühne. Hier muss sich Haußmann ein wenig den Vergleich mit dem Film „Coming out“ (DDR, 1989) gefallen lassen, in dem auch einige Szenen in der (echten) „Schoppenstube“ spielen – und das sehr viel liebevoller und vor allem mit realistischeren Darstellern. Wenn Karsten Speck und Alexander Scheer ein bisschen schwul rumnäseln, dann fragt man sich 2022 dann schon, ob man das nicht hätte irgendwie besser machen können. Zum Beispiel nicht, in dem Heteros Homos mit peinlichen Klischees beladen.
Wirklich schlimm ist der Film, wenn Haußmann ein schwerwiegender Regiefehler unterläuft. In einer Szene wird der junge Ludger von seinem besten Freund beim Schmusen mit einer Frau erwischt. In der Folge sieht man David Kross mal oben ohne, mal mit offenem Hemd auf dem Sofa sitzen – von Schnitt zu Schnitt. Das ist wirklich peinlich.
Dass viele Szenen seltsam leer wirken – als ob keine Komparsen zu haben waren, so leer war Ost-Berlin nun wirklich nicht -, dass die Ost-Berlin-Kulisse im Film nicht so richtig echt wirkt (man hätte sich ja bei den Straßenschildern wirklich mehr Mühe geben können), ist da nur ein Randaspekt.
Dass es wirkt, als sei Haußmann nicht mal ein Filmtitel eingefallen – nun ja.
Ein bisschen weniger doofen Klamauk, dafür ein bisschen mehr intelligenten Witz, ein bisschen mehr gute Drehbucheinfälle – dann hätte mehr draus werden können. Und auch wenn das Ende irgendwie versöhnlich ist, „Leander Haußmanns Stasikomödie“ ist ganz schön mittelmäßig.

-> Trailer auf Youtube

Leander Haußmanns Stasikomödie
D 2021, Regie: Leander Haußmann
Constantin, 116 Minuten, ab 12
5/10


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