Heiligenstadt, Thüringen, DDR. Der Krieg liegt in den frühen 50er-Jahren noch nicht weit weg. Inzwischen sind einerseits die Kommunisten an der Macht. Andererseits ist Heiligenstadt streng katholisch.
Und so wächst Friedeward in einem doppelt strengen Hause auf. Sein Vater ist streng gläubig. Und er ist Lehrer, er schloss sich zwar der SED nicht an, aber seine Karriere würde er auch nicht aufs Spiel setzen. Friedeward wird von seinem Vater unterrichtet, er hat ihn immer im Blick. Hat er Mist gebaut, dann kommt der Vater mit dem Siebenstriemer.
Wolfgang ist Friedewards Freund in der Schule. Sie erleben viel miteinander, sie diskutieren über ihr Leben, ihre Zukunft, über Politik und Literatur. Gemeinsam fahren sie mit dem Rad von Thüringen bis an die Ostsee. Es ist ein toller Urlaub, und danach wissen sie, dass sie mehr als nur Freunde sind.
Doch in der DDR der 50er-Jahre, in der katholischen Hochburg, da darf das keiner wissen. Da steht das unter Strafe, und sein Vater würde Friedeward wieder verprügeln. Und so halten sie es geheim. Jahrelang.
Es folgen Trennungen und Wiedersehen. In Leipzig studieren sie und lernen Jacqueline kennen – sie bekommt eine besondere Rolle in ihrem Leben.
Im Roman „Verwirrnis“ erzählt der Autor Christoph Hein von Friedeward, der in seinem Leben Freude und Leid erlebt. Es ist der Bericht eines Lebens, das umfassende Porträt eines Jungens, eines Mannes, der weiß, was er will, aber nicht immer weiß, wie er bekommt, was er will.
Manchmal scheint es, als würde der Autor gar nicht so in die Tiefe gehen. Das kommt daher, dass er einige Abschnitte aus Friedewards Leben fast im Eiltempo erzählt. Aber in diesen Lebensbericht mischen sich immer wieder Szenen, die Christoph Hein ausführlicher erzählt. Wenn es um Wendungen in Friedewards Leben geht, wird er ausführlicher. Dabei bleibt er immer sehr keusch, vieles wird nur angedeutet. Was aber absolut zur Zeit passt. Denn immer herrschte bei dieser Liebe auch Angst, und man wollte und musste unter sich bleiben. Und da kann auch der Leser eben nicht immer ganz dicht dabei sein. Und soll er auch nicht.
Als Leser freut man sich mit Friedeward, und man leidet mit ihm. Und Leid gibt es oft. Weil die Zeit ein Happy End nicht immer möglich machen kann. Hein schönt nichts, er wirft dem Leser auch keine schludrigen Kitschszenen hin.
Ganz nebenher erzählt er deutsche Geschichte. Wie die DDR sich anfühlte in den 50ern. Was der Mauerbau mit den Menschen machte. Wie die Stasi agierte. Wie nach der Wende den Menschen nicht nur Gutes widerfuhr.
Es ist kein Buch, das einen besonders fröhlich zurücklässt. Aber es ist ein Buch, an das man sich länger erinnern wird.
Christoph Hein: Verwirrnis
Suhrkamp, 304 Seiten
8/10
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