London Calling – Briefe aus dem Kalten Krieg

MO 18.11.2019 | 23.30 Uhr | Das Erste

In den ersten Jahren der DDR hörten viele Leute dort die britische BBC. Sie durften das nicht, es stand wohl sogar unter Strafe, wenn sie dabei erwischt worden wären. Aber es war ein Stück Freiheit, das sich die Leute nahmen. Der Blick von außen und die Möglichkeit, Nachrichten zu hören, die nicht von der SED diktiert worden sind.
Viele schrieben sogar Briefe an die BBC. Von dieser erstaunlichen und mir weitgehend unbekannten Geschichte berichtete am späten Montagabend eine Doku im Ersten: „London Calling – Briefe aus dem Kalten Krieg“.

Bei der BBC gab es eine Sendung namens „Briefe ohne Unterschrift“. Dort sind Hörerbriefe aus der DDR verlesen worden, die aus guten Gründen nicht unterschrieben waren. Ein Stichwort reichte, und die Hörer wussten, wenn ihr Brief dran war. Denn er wurde nicht nur verlesen, sondern auch von der BBC kommentiert.
Die Briefe sind aber nicht nach London geschickt worden, sondern nach West-Berlin. Die BBC gab immer wieder andere Tarnadressen an, an die die DDR-Bürger ihre Briefe schicken konnten.

Verwunderlich daran ist, dass man davon ausging, dass die DDR-Stasi das nicht mitbekommt. Natürlich notierten die die West-Berliner Adressen ebenfalls, und viele Briefe sind schon in den Briefzentren rausgefischt worden.
Akribisch ging man in der DDR den Briefschreibern auf den Grund. Als ob es nichts Schlimmeres gäbe, untersuchte man die Schrift, das Piper nach Spuren, sogar Speichelproben vom Umschlag nahm man – was für ein wahnsinniger Aufwand! Ein Jugendlicher, der an die BBC schrieb und erwischt worden ist, musste jahrelang in den Knast. Dieser junge Mann ist es, der ein Lied von nicht vorhandener Meinungsfreiheit singen kann – im Gegensatz zu heute.

In den 70ern stellte die BBC ihre Briefesendung ein – weil kaum noch was ankam, weil die DDR die Briefe zurückhielt.
Später gab es auch beim RIAS in West-Berlin Tarnadressen, auch dorthin gingen immer wieder Briefe.
Die Doku am Montagabend erinnerte an den Kontrollwahn in der DDR, in der nun wirklich längst nicht alles besser war als heute.


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