Der Preis der Anna-Lena Schnabel

SA 21.10.2017 | 22.05 Uhr | 3sat

Als die 28-jährige Anna-Lena Schnabel den Newcomer-Preis beim Echo-Jazz bekommen hat, da wäre es fast zum Eklat gekommen, und die Musikerin hatte jeden Anlass dazu.
Die Doku „Der Preis der Anna-Lena Schnabel“, die am Sonnabendabend auf 3sat zu sehen war, zeigte, wie eine Preisverleihung auch funktionieren kann – nämlich als Musikevent, das wegen des Musikevents gefeiert wird, und bei dem die Musiker selbst scheinbar nur Beiwerk sind.

Anna-Lena Schnabel ist eine extrem begabte Jazzmusikerin. Wenn sie auf dem Saxofon loslegt, dann gibt sie alles. Und dann ist das relativ unkonventionell und wild. Aber so gut, dass sie in diesem Jahr einen Preis erhalten hat.
Bei einer Gala in Hamburg bekam sie den Preis überreicht und durfte dann etwas spielen. Allerdings keines ihrer Werke. Begründung: Die Zuschauer werden das nicht mögen und schalten dann ab. Denn der Echo-Jazz wurde vom NDR übertragen.
Heißt also: Eine Musikerin bekommt einen preis, aber ihre Werke sind dann doch nicht so toll, als dass man sie dem NDR-Publikum zumuten will. Heißt also auch: NDR-Redakteure entscheiden, was man NDR-Zuschauer zumutet. Und sie entscheiden, was NDR-Zuschauer nicht gut zu finden haben.

Nun könnten man sagen, das wäre alles nicht so schlimm, wenn man sich denn ansonsten gut um seine Preisträger kümmert. Macht man aber nicht. Stattdessen ist unklar, ob eventuelle Übernachtungskosten gezahlt werden. Die Echo-Leute zahlen sie jedenfalls nicht, und die Plattenfirmen irgendwie auch nicht. Der Echo-Chef sagt, man könne doch froh sein, dass man so ein Event überhaupt hat.
Der Bruder von Anna-Lena Schnabel war übrigens nicht eingeladen zu dem Event. Er durfte 70 Euro Eintritt zahlen – und weitere 40 Euro dafür, dass er neben seiner Schwester sitzen durfte.

In der Doku geht es darum, wie Anna-Lena Schnabel zu dem wurde, was sie jetzt ist. Und darum, dass es eigentlich kaum Jazzmusiker gibt, die von der Musik leben können. Und eben um den Echo-Jazz. Wo die Musiker froh sein sollen, dass es das Event gibt. Um Anna-Lena, die überlegt, ob sie den Preis ablehnen soll. Oder in ihrer Dankesrede auf den Missstand hinweisen will. Preisträger einer Sparte, die kaum finanziellen Ruhm erlebt, bekommen nicht-dotierte Preise und müssen drauf zahlen, um überhaupt dabei zu sein. Und die Echo-Verantwortlichen reden sich raus, man solle den Event doch bitte nicht zerreden.
Beide Seiten haben wohl Recht – denn Jazz ist eine Sparte, wo die Musiker vermutlich wirklich froh sein können, wenn sie mit dem Echo-Jazz einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden.

Dass aber der NDR bestimmt, dass eine Preisträger nicht das präsentieren darf, wofür sie ausgezeichnet worden ist, nur weil jemand umschalten könnte, das ist ziemlich armselig. Umso besser, wenn dann 3sat daher kommt und da mal einen Finger in die Wunde legt.
Anna-Lena Schnabel hat sich entschlossen, den Preis anzunehmen und die bittere Pille zu schlucken, in dem sie ihren Ärger runterschluckt. Sie spielte den Fremdsong. Einerseits schade, andererseits hat das auch Größe, und vielleicht ist es für die Musikerin ja der Anfang für mehr.


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