Die US-Wahlnacht im Ersten

DI 08.11.2016 | 22.50 Uhr | Das Erste

Nach fast zehneinhalb Stunden (!) Live-Sendung waren die Moderatoren im Ersten nicht nur in Schockstarre. Schockstarre war nämlich, nachdem feststand, dass Donald Trump neuer US-Präsident wird, das Lieblingswort der Moderatoren und Gäste. Nach einer so langen Strecke waren alle auch sehr, sehr müde.
War ja auch so nicht abzusehen, dass das Ganze nicht nur die Nacht hindurch dauern wird, sondern auch den ganzen Morgen. Erst um 8.30 Uhr stand wirklich fest: Donald Trump schlägt Hillary Clinton.
Es war das Ende eines monatelangen, oft extrem unschönen Wahlkampfes – und der Beginn einer Ära mit einem ungewissen Ausgang.

Diese lange US-Wahlnacht war eine Geduldsprobe für alle. Für die Zuschauer, aber auch für die Fernsehmacher. Irgendwie muss man diese verdammt lange Zeit ja füllen.
Beim ZDF war irgendwann in der Nacht eine Reporterin bei einer völlig aufgelösten jungen Frau, die – warum auch immer – nicht wählen durfte. Heulend stand die Frau nun da und ließ sich von der verständnisvollen Korrespondentin ausfragen.
Im Ersten musste der Moderator zwischendurch mal für Ruhe sorgen, wenn das Publikum maulig wurde, weil Trump schon wieder einen Bundesstaat gewonnen hatte.

Bei Family TV war man schon vorher stolz wie Bolle, dass man ja angeblich der einzige deutsche Sender, äh, na ja, Privatsender sei, der durchgängig von der US-Wahl berichtete. Letztlich übertrug man dann doch nur das CNN-Programm und laberte etwas dazu. Eher überflüssig.
Im ZDF muss sich Christian Sievers vorher so richtig vorbereitet haben, denn immer wenn in weiteren US-Staaten Wahllokale schlossen, kannte Sievers kleine Anekdoten und Randnotizen zu fast jedem der Staaten. Respekt. Wenn auch manchmal albern.
Bei Sat.1 begann man mit dem Frühstücksfernsehen immer schon um 4.55 Uhr, und man erzählte den Zuschauern auch, was in den USA los ist. So ganz wollte man sie dann aber doch nicht mit der Politik belästigen. Zwischendurch wurde dann auch noch gekocht. Anders als bei RTL, wo es ab 4 Uhr eine rein journalistische Wahlsendung gab.

Eine spannende Alternative gab’s im Internet, auf Youtube. Dort konnte man Jan Böhmermann und seinem „Neo Magazin Royale“-Team dabei zusehen, wie sie sich die Wahlnacht um die Ohren hauen. Inklusive Kommentare zum Wahlgeschehen. Als sich gegen 5 Uhr schon deutlich der Trump-Sieg abzeichnete, machten sie aber schon Schluss.

Unterdessen endete im ZDF „Die Nacht der Entscheidung“ ohne Entscheidung, denn nach 7 Uhr übernahmen die Leute vom Frühstücksfernsehen. Diesen Luxus hatten die ARD-Kollegen nicht. Sie mussten bis weit nach 9 Uhr weitermachen. Und von der Schockstarre berichten.

Apropos Schockstarre: Immer mehr Leute werfen dem deutschen Journalismus vor, einseitig zu berichten. Die ARD-Leute ließen die Zuschauer im Minutentakt wissen, wie schockiert sie sind. Aber muss das so sein? Natürlich haben Journalisten zu allen Themen auch eine Meinung, aber sind sie auch in der Position, immer und überall kommentierend zu wirken?
Ich fand es auch schockierend, dass Donald Trump gewonnen hat, aber müssen mir das auch die Moderatoren immer wieder mitteilen?

Und dann war das noch der Junge, der während der Trump-Siegesrede direkt neben ihm stand. Er rollte mit den Augen, musste sich mehrfach heftig das Gähnen verkneifen. Er wusste ganz genau, dass zig Millionen Menschen ihm gerade zusehen und dass es ganz ungünstig wäre, nun dauernd zu gähnen. Andererseits war es weit nach 3 Uhr in New York. Und stand der Junge da und litt sehr. Er konnte einem Leid tun. Den Spott bekam er aber auch so ab.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

17 Antworten zu „Die US-Wahlnacht im Ersten“

  1. ThomasS

    Ich denke, Amerika und die Welt werden sich unter einem US-Präsidenten Trump auf jeden Fall verändern. Keine Ahnung, wie sich die Welt verändern wird. Aber verändern wird sie sich auf jeden Fall. Vielleicht überlebt es die Welt ja. Sie hat schließlich auch 8 Jahre lang einen gewissen Mr. Dabblju verkraftet.

  2. RT

    Ja, vielleicht.

  3. ThomasS

    Vorhin musste ich beim Aufwachen an den Film „Der Club der toten Dichter“ denken, einen meiner Lieblingsfilme. Da rezitiert Robin Williams als Lehrer auf die Frage, warum wir eigentlich auf der Welt sind, irgendein altes Gedicht: „Damit das Spiel der Mächte weiter besteht und du deinen Vers dazu beitragen kannst“. Das wiederholt er sogar nochmal. Anschließend fragt er die Schüler: „Was wird euer Vers sein?“ Nächste Szene: Die Schüler in der Mensa vor dem Essen: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast“

    Da steckt viel Wahrheit drin.
    Wir können nur abwarten, wie sich das Spiel der Kräfte entwickeln wird.
    Ob wir unseren Spruch dazu beitragen oder nicht, ist irrelevant.

  4. ThomasS

    Und dann gibt’s noch Dummköpfe, die streben in dieser Welt tatsächlich nach dem ewigen Leben. Wenn sie Spass dran haben … bittesehr. Ich für meinen Teil habe jetzt schon genug gesehen.

  5. ThomasS

    Ich für meinen Teil bin gottfroh, wenn ich desen Bullshit namens leben hinter mir habe.
    Kinder habe ich keine und werde auch nie welche haben.
    Die Alten werden auch irgendwann wegsterben.
    Also, was soll mich der ganze Mist noch kümmern.

    Ich versuche bloß, den bullshit halbwegs anständig hinter mich zu bringen.
    D.h.: Kein Fanatiker werden, keine Selbstmordanschläge u.s.w.

    Siehst du das anders?
    Wenn ja, warum?
    Und jetzt komm mir nicht mit abgedroschenen Sprüchen wie etwa, das leben sei doch so schöööööööööööööön

  6. ThomasS

    Auf den Trip mit den Selbstmordanschlägen kommen eh bloß junge Leute, die noch formbar sind. Die alten Islamisten werden den Deibel tun, sich mit umgeschnalltem Sprengstoffgürtel in irgendeine Fußgängerzone zu begeben oder auf irgendein Konzert. Nein, deren Funbktion besteht ja gerade darin, am Leben zu bleiben und die Jungen unter Berufung auf ein höheres Ideal in den Tod zu schicken. Diese Strategie ist allerdings durchaus nicht auf den bösen Islamismus beschränkt. Fast habe ich den Verdacht, dass die sich das von den Amis abgeschaut haben. Frag halt mal die ehemaligen US-Präsidenten aus dem Hause Bush, für wie viele tote US-Soldaten die verantwortlich sind. Und die Bushs hausen immer noch glücklich und zufrieden im Luxus. Aber das hat ja so eine Tradition, dass es schon gar nimmer auffält.

    Ich denke, wenn es Frieden geben soll, dann müssen sich die jungen Leute aller Nationen und Glaubensrichtungen zusammen tun und sich gegen die Alten verbünden, die ihnen befehlen, in den Krieg zu ziehen. Nur so ist das Ruder noch rumzureißen.

    Aber wie gesagt:
    Mir persönlich ist es egal.
    Nach mir die Sintflut.

  7. RT

    „Das Leben ist schön“ ist zwar abgedroschen, stimmt aber. Bis jetzt jedenfalls. Ich kann nicht behaupten, dass alles perfekt läuft. Aber ich habe an vielem Spaß. Und von mir aus kann das lange weiterlaufen. Was dem ewigen Leben entgegensteht, wäre eher die unsichere Zukunft dieser Erde.

  8. ThomasS

    Wenn du meinst …

  9. RT

    Sonst würde ich’s ja nicht schreiben.

  10. ThomasS

    Traust du vielleicht diesem George Dabblju zu, dass er sich über seine Fehlentscheidung und ihre Konsequenzen einen Kopf macht? Dazu ist der doch viel zu stupide. Obama war wenigstens mal ein Lichtblick.

  11. RT

    Ja, Obama war nicht stupide. Aber der ganz große Wurf war er letztlich ja auch nicht. Die Mittelschicht in den USA steckt in der Krise.

  12. ThomasS

    Laut dem Video von Dner nicht nur die Mittelschicht ….

  13. RT

    Die darunter sowieso.

  14. ThomasS

    >“Das Leben ist schön” ist zwar abgedroschen, stimmt aber.

    Bullshit!
    Solang du Geld hast, versucht immer irgendwer, dir Geld ausm Kreuz zu leiern. Und wenn du kein Geld hast, geht es um Dankbarkeit. Oder um Kontrolle!
    Erzähl mir nix!
    Von jeder Art von zwischenmenschlichem Kontakt profitiert immer irgendwer irgendwie. Und wenn du nicht mal mehr Dankbarkeit zu bieten hast, beißen dich eh die Hunde.

  15. ThomasS

    Sollen sie …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert