DI 31.05.2011 | 22.25 Uhr | 9Live
9Live ist tot. Gestorben am 31. Mai 2011 um 23.59 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt stellten die Macher den Live-Betrieb ein. Ab sofort gibt es nur noch Programm aus der Konserve. Doch bevor es zu Ende ging, gab das Team dem Affen noch mal ordentlich Zucker. Was als „Die letzte Live-Sendung von 9Live“ über die Bühne ging, war durchaus denkwürdig.
Im Sendezentrum von Unterföhring feierten hunderte Menschen das Aus ihres Arbeitsgebers. Thomas Schürmann und Max Schradin spielten auf der Party die Totengräber. Die schlenderten durch die Location, während sich der Rest hemmungslos betrank und Karaoke sang. Die Kamera immer dabei.
Man kann von 9Live halten, was man will: So spontanes Fernsehen, diese Art der Live-Übertragung einer hausinternen Party gab es wohl noch nie und wird es wohl nie wieder geben.
Da gab es Verantwortliche, die noch mal sagen durften, dass sie die Auflagen der Medienanstalt irgendwie scheiße fanden. Alida Kurras stellte sich ihre Rote Karte für künftige Jobs aus, als sie sich über nervige Regeln lustig machte, sich für eventuelle Fehler entschuldigte, gleichzeitig aber meinte, sie würde alles wieder so machen. Ganz großes Kino.
Ein Dauergewinner war auch zu Gast, hunderttausende Euro hat er bei 9Live gewonnen, erzählte er. Seine monatliche Telefonrechnung betrug allerdings auch immer um die 4000 Euro. Da waren die fröhlichen Moderatoren kurz mal still. Aber vielleicht hatte ja 9Live nicht nur Freaks, die zuschauten.
Manchmal war auch gar nichts zu verstehen, weil im Partygewimmel die Mikros nicht ausreichten. Und wenn der allzu besoffene Kollege nervte, wurde er halt angeschrien und ihm angedroht, dass er rausfliegt (Schürmann: „Ich meins ernst, noch einmal, und du fliegst raus, auch wenn’s ’ne Live-Sendung ist!“). So ist’s wenn sich 9Live-Mitarbeiter besaufen.
Ganz am Ende, um fünf vor zwölf, dann das große Melodrama. Zur Musik der „Truman Show“ stellten sich die Moderatoren hin und umarmten sich. Eine Stimme sprach zu ihnen – wie im Film auch.
„Wo wollt ihr hin? Ihr gehört doch hierher. Ihr – seid 9Live. Ihr seid die Stars, die Millionen Menschen glücklich gemacht haben. Ihr könnt nicht gehen. Ich habe euch doch zugesehen, eure ersten Schritte. (…) Ihr wart echt, deshalb hat man euch so gern zugesehen. Es war eine tolle Welt, die wir geschaffen haben. Deshalb könnt ihr nicht wegggehen. Die Welt beobachtet euch doch schon seit zehn Jahren. (…) Ihr könnt nicht gehen. Ihr gehört hierher – zu uns.“
Ja, was für eine tolle Welt. Eine Welt voller unseriöser Spielchen.
Tru…, äh, Thomas Schürmanns pathetische letzte Worte: „Und falls wir uns nicht mehr sehen sollten – guten Tag, guten Abend und gute Nacht.“
Im Fall von Thomas Schürmann wünschen wir uns natürlich, dass wir uns nicht mehr sehen.
Ganz am Ende saß das 9Live-Maskottchen ganz allein im Studio – zu „Wonderful World“. Und fast scheien es, als ob sich der Mann darin, den Plüschkopf vom Leib reißt und den Stinkefinger zeigt.
Es ist schon spannend, wie sich die 9Live-Macher selbst sehen. Sie waren die Helden, so dachten sie.
Klar, das Team war offenbar sehr eng, wie eine Familie, die nun auseinander gerissen wird. Aber dennoch wollen wir mal festhalten: Die Spiele bei 9Live waren oft unlogisch, die Moderatoren haben gelogen, die Zuschauer wurden beschissen. Die immer härteren Regeln der Aufsichtsbehörden ruinierten das Geschäftsmodell von 9Live.
Nun ist Schluss, und das ist gut so. Vorrübergehend zeigt 9Live Serien. Was grundstätzlich aus dem Sender wird, ist noch offen.
Das Fazit ganz am Ende: Es stimmt schon, wenn die 9Live-Leute sagen, dass es diese Art von Fernsehen nicht mehr geben wird – mit stundenlangen Live-Strecken. Nur leider waren die Inhalte meistens unter aller Sau.
Wir werden den Call-In-Müll jedenfalls nicht vermissen.
Schreibe einen Kommentar