ProChrist 2009 – Zweifeln und Staunen: Ersehnt – Kann man Gott beweisen?

DI 31.03.2009 | 19.30 Uhr | ERF eins

Einmal im Jahr zeigt die Freikirche, wie man am besten großes Fernsehen mit astreiner Kirchen-PR vermengt. Mit den Veranstaltungen in der Reihe „ProChrist“ sollen neue Mitglieder geworben werden. Oder mit den Worten der Freikirchler: sich für Gott öffnen.
Achtmal wird „ProChrist“ in diesem Jahr aus Chemnitz übertragen. Neben der Live-Ausstrahlung auf dem Religionssender ERF eins sind etwa 1000 Gemeinden in Europa dabei, darunter auch Oranienburg und Falkensee. Dort wird das Event auf große Leinwände übertragen.
Das Konzept bei den Freikirchen-Events ist immer gleich: Erst die große Show mit Gesang. Dann die langsame Hinführung zum Thema mit einem Betroffeneninterview. Am Ende die Predigt. Die lange Predigt.
Das Thema am Dienstag hieß: „Ersehnt – Kann man Gott beweisen?“
Die Show beginnt wie der Eurovision Song Contest: eine riesige Halle, lange Kamerafahrten über die Menge, eine Megabühne mit einem Orchester und einem Chor, die mindestens 200 Leute umfassen. Klotzen statt kleckern.
Moderator Jürgen Werth erklärt leicht onkelhaft worum es geht: Gibt es den wissenschaftlichen Beweis, dass es Gott gibt? Aber erst mal beten: „Herr, viele wissen gar nicht, ob es dich gibt.“
Später kam der Mikrobiologe Siegfried Scherer zu Wort. Mit 15 ist er aus der Kirche ausgetreten, dann aber, bei biologischen Experimenten in der Schule, überkam ihm die Ehrfurcht vor den Dingen, die er rausfand. Er hat gesehen, wie wunderbar die Natur ist, und das kann doch nicht zufällig sein.
Nun ja, ich denke das auch oft. Komme aber zu einem anderes Ergebnis als Scherer. Und was ist nun mit dem Beweis? In der Wissenschaft müssse sich das Ergebnis eines Experimentes immer wiederholen. Das sei bei Gott aber nicht möglich. Andererseits könne man auch nicht beweisen, dass es ihn nicht gibt. Die Auferstehung von Jesus könne auch nicht bewiesen werden, so Scherer, man könne es glauben oder nicht.
Ein bisschen schwammig, das Ganze. Überzeugend jedenfalls nicht. Weiter findet Scherer, dass Gott auch nicht in den Biologie-Unterricht gehöre, da müsse die Evolutionstheorie unterrichtet werden. Gott gehöre in den Religionsunterricht. Zum Schluss sagte Scherer noch, er sei durch die Forschung dem Glauben näher gekommen. Was irgendwie überraschend ist, wenn er als Forscher genau die Frage nicht beantworten kann, um die es den ganzen Abend gehen sollte.
Und dann, nach 25 Minuten, kam er: Ulrich Parzany, der Prediger der Freikirche. Ganz ohne Ankündigung.
Die Show war passé, nun erzählte nur noch Parzany. Während der 50-minütigen Rede gab es genau einen Umschnitt der Kamera und einen kurzen Einspieler. Also nur noch er: Parzany. Keine Ablenkungen, bitte.
Parzany ist ein brillanter Redner, er weiß genau, wie er Mimik, Gestik und seine Stimme einsetzen muss, um eine Wirkung zu erzielen. Er plaudert, er lächelt, dann wird er wieder ernst, spricht lauter, nervöser, wird sogar wütend, macht wilde Armbewegungen, wenn er etwas bekräftigen will. So packt er seine Schäfchen. Auch durch Wörter wie cool und Body statt Körper. Zeitgemäß eben, sehen ja auch Jugendliche zu.
Parzany legt gleich los. Der Beweis, dass es Gott nicht gibt? Das ziehe nicht mehr, das verdumme nur die Menschen.
Er erzählt die Geschichte von einer Mutter im 19. Jahrhundert. Ihr Kind lag totkrank mit Diphterie im Bett, hochansteckend. Die Mutter durfte nicht zu ihr, doch das Kind rief nach ihr, herzzerreißend. Die Mutter konnte nicht anders, nahm das Kind in den Arm, steckte sich an. Beide starben. Parzanys großer Augenblick. Beide. Starben. – Pause. Schweigen. Ein erschütterndes Bild der Liebe, so der Prediger. Der Beweis dafür, was Gott bewegen könne. Wieso das so ist, sagt er nicht. Wieso da nun gerade Gott seine Hand im Spiel hatte.
Parzany spricht von der Pest der Gottesvergessenheit und wird laut und energisch. Wer sich abwende, stecke sich an. Parzanys Haltung und Stimme sind drohend, machen Angst.
Und der Beweis? Wie gesagt, es gibt ihn nicht. Zumal folgender Vergleich hinkt: Ein Mann könne sich bei seiner Frau (ein eventueller Mann anstelle der Frau wird hier natürlich nicht in Betracht gezogen, aber das ist ein Thema für sich) auch nie sicher sein, ob sie es ehrlich meine, wenn sie sagt: Ich liebe dich. Bei der Liebe zu Gott sei das auch so. Wobei natürlich ein realer Partner mit einem (zumindest nicht bewiesenen) Gott schlecht zu vergleichen ist.
Die Predigt endet, wie immer, mit der direkten Ansprache, der Werbung. Jetzt komm! Er, der Herr, wolle anfangen, mit dir zu sprechen, so Parzany. Wenn man das wolle, solle man aufstehen, nach vorne gehen. Wo immer man sei – in Chemnitz vor Ort oder in den 1000 Gemeinden. Klaviermusik setzt ein, es wird gesungen. Tatsächlich füllt sich die Fläche vor der Bühne. Als einer der Willigen sich mitten auf das auf den Boden gemalte Kreuz stellt, schiebt ihn Parzany zur Seite. Sah wahrscheinlich blöd aus im Fernsehen.
Das war dann das Ende der Show. Nach großem Entertainment verengte sich der Fokus radikal auf den einen Redner mit seiner Botschaft. Clever ausgeführt, sicherlich oft die gewollte Wirkung nicht verfehlend. Auch wenn die Argumente letztlich doch erstaunlich schwammig waren. Andererseits ist offenbar genau das die Botschaft: einfach dran glauben.
Die Freikirche weiß, wie Leute umgarnt und angeworben werden können.
Der Spuk geht noch bis zum Sonntag.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

32 Antworten zu „ProChrist 2009 – Zweifeln und Staunen: Ersehnt – Kann man Gott beweisen?“

  1. RT

    Du kannst es nicht lassen.
    Aber so ne Prise Optimismus kann ja nicht schaden. 😉

  2. Philipp R.

    🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert