Chiko

Mit „Chiko“ kommt ein Film in die Kinos, der sich mit einem Thema beschäftigt, das seit Jahresbeginn heiß diskutiert wurde: die Gewalt unter Migranten in Deutschland. Inwiefern der Streifen von Özgür Yildirim zur Diskussion beitragen kann, bleibt abzuwarten. Vielleicht geht der Schuss hier auch nach hinten los.
Mit dem Kauf von Drogen will Chiko (Denis Moschitto) das große Geld machen. Um das in seinem Hamburger Vorortghetto zu schaffen, muss er Kontakt aufnehmen – mit dem Dealer Brownie (Moritz Bleibtreu). Der Plan scheint auch aufzugehen. Nur bei Chikos bestem Freund Tibet (Volkan Özcan) funktioniert das Ganze nicht. Es kommt zu einem Konflikt, der sich mehr und mehr aufschaukelt.
Für Chiko geht es um alles: Um die Freundschaft zu Tibet, umk das große Geld und – ja, auch um sein Leben.
Ganz klar, „Chiko“ ist ein Film mit riesigem Diskussionspotential. Denn gegen „Chiko“ wirkte der ARD-Film „Wut“, der bereits Diskussionen auslöste, wie ein drolliger Heimatfilm. In „Chiko“ geht es dagegen hart zur Sache. Wird überall über die Gewalt unter den Türken in Deutschland berichtet und gesprochen – hier erleben wir sie quasi hautnah.
Das führt jedoch zu einigen Fragen: Denn an wen soll sich dieser Film richten? An die Deutschen, die sich mitunter in all ihren Vorurteilen bestätigt sehen? An die Türken, um ihnen mal zu zeigen, was so läuft? Oder um ihnen den Spiegel vorzuführen? Was genau will der Film erreichen – und bei wem?
Was natürlich nicht unter den Tisch fallen sollte: Schauspielerisch ist der Film mitunter sehr gut. Denis Moschitto zeigt sich in einer sehr ernsten Rolle, wahrscheinlich auch in einer, die ihm am Herzen liegt. Die Atmosphäre ist recht düster, fast schon angsteinflößend. Oft bekommt man Herzklopfen, wenn man die Entwicklung verfolgt.
Aber dennoch: Was will dieser Film erreichen? Etwa das: Nach dem Film bin ich mit der U-Bahn unterwegs gewesen. Im Umsteigebahnhof liefen auch einige Türken rum. Und mir war mulmig im Magen. Die Bilder und die Geschichte des Films zeigten ihre Wirkung. Aber eigentlich kann es doch das nicht sein, was mit „Chiko“ erzeugt werden soll, oder?
Eine Bewertung ist somit extrem schwierig. Rein schauspielerisch hat er sicherlich 8 bis 9 Punkte verdient. Doch für die Wirkung gibt es Abzüge.

6/10


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Kommentare

7 Antworten zu „Chiko“

  1. Knurrunkulus

    Solch eine Wirkung haben doch aber viele Filme. Der Unterschied ist in diesem Fall halt nur, dass uns das Thema durch den sehr konkreten Bezug noch viel naeher erscheint als wenn sich das Gezeigte, wie in handelsueblichen Thrillern, nur recht generell mit dem Thema Gewalt auseinandersetzt.

    Ich kann deine Gedanken aber durchaus nachvollziehen, nur: wenn man ueber „Chiko“ einen Filter gelegt oder irgendeine klare moralische Instanz geschaffen haette, dann wuerde man sich wahrscheinlich wieder die Kritik anziehen muessen, man verkaufe etwas als letzlich „heile Welt“ was diesem Anspruch in der Realitaet nicht entsprechen kann.

    Ich habe „Chiko“ bisher nicht gesehen, aber deine Kritik macht Lust drauf.

    Wenn man vor etwas Angst hat, und du sagst ja dass der Film schon auf eine bedrohliche Atmosphaere setzt, steht man dieser Sache zumindest nicht mehr gleichgueltig gegenueber. Von daher kann ein Film mit angsteinfloessender Atmosphaere durchaus ein Problembewusstsein ausloesen, dass bei vielen Leuten, die den Film sehen, vielleicht vorher noch gar nicht so bewusst vorhanden war.

    Und „Problembewusstsein schaffen“ ist ja im Prinzip nicht verkehrt.

  2. RT

    Ich habe nur Angst, dass die Wirkung des films eben auch in die falsche Richtung gehen kann.

  3. spider-man2002

    Chiko ist eine Milieu-Studie, deutsche Drogendealer haben sich auch schon früher „die Fresse poliert“ gegenseitig und es gab Revier Streitigkeiten, ja klar hat die Gewalt in diesem Milieu enorm zugenommen, aber im allgemeinen hat die Gewalt auch in unsere Gesellschaft zugenommen.

  4. Xavier

    Deine Kritik ist voll auf dem Punkt, ich hatte nach dem Film ganz ähnliche Gedanken. Der Film hat ganz klar das Potential, ausländerfeindliche Tendenzen auszulösen, denn ich bin mir nicht sicher, ob jeder Kinogänger den Film nur als Diskussions- und Reflektionsgrundlage ansieht… Hmm, böse Zungen würden sagen, daß wir „Chikos“ am besten in Ruhe lassen, die werden eh ned alt.

  5. DCL

    Ich sehe die Gefahr nicht, zeigt Chiko doch ganz klar und unmissverständlich, wohin die Gewaltspirale letzten Endes zwangsläufig führen muss (als „Happy End“ würde ich den Schluss nun nicht direkt bezeichnen).

  6. RT

    Aber das schreckt doch nicht die ab, die Gewalt „gut“ finden.

  7. DCL

    Vielleicht nicht, aber es bekräftigt sie ja auch nicht. 😉
    Finde es nebenbei bemerkt sehr gut und ehrlich, wie du deine Gefühle nach dem Film beschreibst. Ändert nichts daran, dass ich nichts grundsätzlich Falsches an durchaus auch heiklen Schilderungen einzelner (!) Individuen (!) aus Randgruppen entdecken kann.

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