Wenn du das nächste Mal im Krankenhaus liegst und du einigermaßen okay bist, dann denke immer daran: Du bist nicht alleine. Bringe doch zum Beispiel dein Essensgeschirr selbst in die Teeküche als dass du darauf wartest, dass das eine Schwester für dich erledigt. Wenn du dich bewegen kannst, dann bewege dich. Du nimmt den Schwestern Arbeit ab, die sie vielleicht bei anderen erledigen können.
Das sind ziemlich sicher die Gedanken, die man hat, wenn man sich den Film „Heldin“ von Petra Volpe ansieht.
Die Heldin ist in diesem Fall eine Krankenschwester, die wir eine Schicht lang begleiten.
Floria Lind (Leonie Benesch) tritt ihren Dienst in einer Klinik in Zürich an. Sie tritt aus dem Fahrstuhl – und los geht’s.
Sie erfährt, dass sie heute nur zu zweit sein werden – plus eine Schwesternschülerin. Und es geht Schlag auf Schlag. Ein Patient, der durch den Flur irrt, weil er auf seine Diagnose wartet. Ein Herr, der in den OP gefahren werden muss. Ein Patient, der in letzter Minute zu seiner OP erscheint. Eine alte Frau, die eingeliefert wird und Angst hat. Eine Mutter mit einem Tumor. Und dann noch die Spitze für die Frau in einem der anderen Zimmer. Und der Privatpatient wartet auf eine Schmerztablette. Und dann ruft eine Frau an, Wege der vergessenen Brille ihrer Mutter.
Es hört nicht auf.
Wir bleiben immer dran. Wir erleben, was alles während dieser Schicht auf Floria zukommt. Gleichzeitig. Plus der Notfall, plus die Tabletten und Spritzen. Sie behält zunächst ihre Nerven, arbeitet ab, was abzuarbeiten ist. Es ist der pure Stress, immer wieder macht sie sich Notizen, und man fragt sich, wie sie das alles aushält, ohne auszurasten.
Ihren Stress macht sie mit sich aus, lässt ihn kaum an den Patienten aus. Immer wieder nimmt sie sich auch kurz Zeit, wenn es nötig ist. Eine der rührendsten Szenen ist, als sie mit einer alten Frau singt, die zuvor eine Panikattacke hatte. Floria erkennt, wo Deeskalation nötig ist – aber irgendwann hat sie ihn eben doch, den Ausraster.
Leonie Benesch spielt die „Heldin“ ganz hervorragend. Sie bringt den Stress rüber, die Unruhe, die Rastlosigkeit und die hohe Konzentration. Und als Zuschauer staunt man, wie Floria alles schafft, wie sie plötzlich auch immer wieder an die kleinen Dinge denkt, die so nebenbei auf sie eingeprasselt waren.
Dieser Film ist ein Plädoyer für die Pflegekräfte – und eine Erinnerung daran, was sie leisten und vor allem, wie sehr sie in den nächsten Jahren fehlen werden. Auch wenn am Ende darauf hingewiesen wird, dass viele Pflegekräfte relativ früh nach der Lehre den Job wechseln – der Film ist keine Anklage. Er ist eine Beschreibung des Ist-Zustandes. Und der geht an die Nieren – und ist als Film wirklich packend und sehr sehenswert.
Heldin
Schweiz 2024, Regie: Petra Volpe
Tobis, 92 Minuten, ab 6
9/10
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