Hotel Matze: Thilo Mischke

FR 31.10.2025 | Youtube

In 80 Frauen um die Welt: Von einem, der auszog, die Liebe zu finden.
Das Buch mit diesem Titel ist von 2010. Und 15 Jahre später, 2025 fiel der Autor Thilo Mischke unter anderem über dieses Werk.
Eigentlich sollte er neuer Moderator der ARD-Kultursendung „ttt“, „Titel, Thesen, Temperamente“, werden. Aber nach einem Aufschrei der Empörung zog die ARD die Personalie zurück.

Am Freitag war Thilo Mischke im Talkformat „Hotel Matze“ auf Youtube zu Gast. Dort äußerte er sich auch zur Causa „ttt“.
Er stehe gerade für das Buch, das er 2010 geschrieben hat. Aber er stehe auch schon lange nicht mehr dahinter, und er sagt, er hatte das so nie schreiben sollen. Er sagt das nicht erst seit diesem Jahr, er distanziert sich schon einige Jahre lang davon.
Auch flapsige Antworten auf in Gesprächsformaten sind ihm vor die Füße gefallen. Man warf ihm vor, Vergewaltigungen zu relativieren. Im „Hotel Matze“ sagte er, das tue ihm Leid, wie ihm so manche flapsige Sätze ärgern würden.

Heute reicht es aber nicht mehr, sich für 15 Jahre alte Bücher rechtfertigen müssen und deshalb keinen Moderationsjob in der ARD-Kultur zu bekommen. Distanzierungen und Entschuldigungen zählen scheinbar nicht.
Mischke und die ARD sind rund um die Jahreswende mit einem großen Shitstorm versehen worden. Die Welle der Empörung war riesig, und es gab viele Berichte zum Thema. Laut Thilo Mischke habe es aber gerade mal eine Handvoll Presseanfragen bei ihm selbst gegeben. Man schrieb über ihn, richtete über ihn, aber mit ihm sprechen war nicht drin – auch beispielsweise bei der „taz“ in Berlin.
Am Ende sprach auch bei der ARD kaum noch jemand mit ihm, selbst als es im Nachhinein ARD-intern um die Aufarbeitung des Themas ging, blieb er außen vor.

Schon damals verfolgte ich kopfschüttelnd die Debatte um Mischke und „ttt“, sie war mitunter moralheuchelnd und vollkommen übertrieben. Teile des Kulturbetriebes taten so, als sei Thilo Mischke in völliger Unmensch. Und im Social Media empörte sich halb Deutschland so, als würden sie wirklich jede Woche „ttt“ schauen und feiern. vermutlich kannten die meisten Empörten „ttt“ gar nicht.

Thilo Mischke ging im „Hotel Matze“ nicht näher darauf ein, aber scheinbar wollte er sich Weihnachten 2024 das Leben nehmen, und seine Mutter komme bis heute nicht mit dem klar, was sie zu den Shitstorm-Zeiten miterleben musste.
Das ist ein wichtiger Aspekt, weil es zeigt, welche Folgen eine solche Hexenjagd haben kann.
Aber es ist am Ende nicht der ausschlaggebende Aspekt, der einige dazu bewegen sollte, darüber nachzudenken, was da im Winter passiert ist und ob das in diesem Ausmaß wirklich nötig war. Und auch die Medien sollten sich hinterfragen, ob einseitiges Draufhauen wirklich das Wahre ist.

Das Buch von 2010, und vor allem der Titel, ist sexistisch. Manche Aussagen in Interviews sind flapsig und unüberlegt. Aber ist die Moderation eines ARD-Kulturmagazins im nischigen Nachtprogramm wirklich eine so staatstragende Angelegenheit, dass selbst Distanzierungen von Geschriebenem und Gesagtem nicht mehr ausreicht?
Nicht wirklich.

Das Gespräch von Matze Hielscher mit Thilo Mischke ist packend, hat seine bedrückenden Momente. Gut, jetzt mal die andere Seite zu hören. Und es ist gut, dass sich Mischke damit aber keineswegs als Opfer darstellen will. Täter jedenfalls war er auch nicht wirklich. Da gibt es wirkliche sehr viel schlimmere Menschen im Medienbusiness.

-> Die Sendung auf Youtube


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Kommentare

6 Antworten zu „Hotel Matze: Thilo Mischke“

  1. Daggi

    Wenn ihm das Buch im Nachhinein wirklich so peinlich ist wie er es jetzt darstellt warum ist es dann noch 2019 erneut aufgelegt worden? Ich fand den shitstorm auch übertrieben und verlogen, aber seine Rechtfertigung ist auch recht lau. Selbstmordgedanken noch dazu ins Spiel zu bringen ist auch etwas zu dramatisch, ohne das verharmlosen zu wollen.

  2. Weil das der Verlag so bestimmt, nicht er. Momentan ist es wohl nicht zu haben, nur als Second Hand. Und es ist nicht etwas zu dramatisch Selbstmordgedanken ins Spiel zu bringen, sondern dass es so weit kommt, so was überhaupt zu haben. Wobei er nicht näher drauf eingegangen ist.

  3. Daggi

    Der Autor bestimmt, ob sein Werk verlegt wird, noch dazu war es bei dieser letzten Auflage ein anderer Verlag.
    Ich nehme ihm überhaupt nicht ab, dass er das alles ja nicht so gemeint haben will und er eigentlich ein total lieber Kerl ist bzw sich geändert hat. Insofern verstehe ich auch die ARD, dass sie keine Veranlassung gesehen haben, sich seine unglaubwürdigen Entschuldigungen anzuhören. Dazu ging es ja auch hauptsächlich um die Wahrnehmung seiner Person in der Öffentlichkeit und den damit verbundenen möglichen Imageschaden für den Sender.
    Andererseits stimme ich dir zu, dass diese Vorwürfe für einen derartigen Shitstorm nicht ausreichen sollten und er durchaus das Magazin hätte moderieren sollen. Ich denke auch nicht, dass es heute oder in Zukunft noch mal so abgehen würde, es war einfach schlechtes timing, Stichwort peak wokeness.

  4. Daggi

    Hab gerade festgestellt, dass sich die Geschichte ja erst in diesem Januar abgespielt hatte, dachte irgendwie es wäre schon länger her… Insofern möchte ich den Teil mit der ‚peak wokeness‘ mit einem Fragezeichen versehen, andererseits ist Deutschland ja traditionell den USA ein paar Jahre hinterher was kulturelle Trends angeht, also wer weiß.
    Ich habe hier noch einen interessanten Beitrag gefunden, der einen neben der charakterlichen Eignung auch an der journalistischen Qualifikation von Mischke für diesen doch vergleichsweise herausgehobenen Posten zweifeln lässt (und nebenbei verdeutlicht, warum ich Podcasts so schrecklich finde…) https://scilogs.spektrum.de/relativ-einfach/thilo-mischke-die-evolutionsbiologie-und-unethischer-journalismus/

  5. RT

    Na ja, es ist gerade mal ein Jahr her. Solche Shitstorms aus mehr oder weniger nichtigen Gründen wird es immer wieder geben.

  6. Es ging um die Moderation eines Kulturmagazins im Nachtprogramm. Und was er journalistisch drauf hat, beweist er mit seinen Dokus.

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