SA 01.03.2025 | 20.30 Uhr | Das Erste
Die gute Nachricht vorweg: Abor & Tynna werden mit dem Song „Baller“ Deutschland beim Eurovision Song Contest 2025 in Basel vertreten. Und das ist eine gute Wahl, weil „Bal-la-la-la-la-ler“ schon mal sehr ins Ohr geht, und auch wenn nach sehr langer Zeit mal wieder auf Deutsch gesungen wird, ist „Bal-la-la-la-la-la-ler“ lautmalerisch eingängig genug, dass es trotzdem funktionieren kann.
Gewählt wurde das Lied am Sonnabend beim Finale der „Chefsache ESC 2025“. Nach den Vorrunden und dem Halbfinale bei RTL lief das Finale nun im Ersten.
Im Vorfeld gab es Verdruss. Denn es hat eine Regeländerung gegeben. Eigentlich sollten im Finale die Zuschauer unter den neun Finalisten den Sieger wählen können. Nun war es aber so, dass die Jury nochmal vier Songs aussiebte, so dass nur noch fünf Lieder für den Voting übrigblieben.
Vorteil für Stefan Raab: Er hatte noch mehr Macht und konnte dafür Sorgen, dass Lieder oder Künstler, die vielleicht eine große Fanbase haben, es trotzdem nicht schafften.
Feuerschwanz zum Beispiel. Die Mittelalter-Rockband galt als einer der Favoriten, weil die Gruppe viele Fans hat. Aber der Song „Knightclub“ war in der Tat nicht besonders gut. Er war zu grob, zu simpel, es fehlte ihm der gewisse Pfiff – er wurde vollkommen zurecht rausgewählt.
Das führt aber zu einer vollkommen anderen Frage: Was hat der Chef eigentlich zu bestimmen, wenn seine Show „Chefsache ESC 2025“ heißt? Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Stefan Raab als Chef viel mehr Einfluss auf die Songs hat. Aber es schien im Halbfinale, als würde er einige Songs auch noch nicht kennen.
Am Sonnabend bekamen einige der Acts Tipps, wie sie ihre Songs noch besser pimpen könnten. Wieso aber wird das nicht gemacht, bevor sie auftreten? Warum werden die Songs nicht vor der Show schon so ESC-tauglich gemacht, dass man eigentlich gar nichts mehr meckern könnte.
Und wenn der Feuerschwanz-Song nicht wirklich ESC-tauglich war – warum war er dann überhaupt im Wettbewerb?
Es scheint, als hätten sich für die Chefsache Künstler und Bands beworben, aber erst nach dem Zuschlag reichten sie ihre eigentlichen ESC-Songs ein.
Müsste es nicht eher so sein, dass Komponisten ihre Songs einreichen und dass Deutschland große Musikmacher angesprochen werden müssten, dass sie mal Songs einreichen, die nicht zwingend auch von ihnen selbst auf die Bühne gebracht werden müssen. Und dass Nachwuchs-Acts sich auch schon mit ihren ESC-Songs bewerben – und dass man vor der Show dann gemeinsamen mit ihnen daran arbeitet, den Songs weiter aufzuwerten.
So stelle ich mir eine Chefsache vor.
Aber nicht, dass die Chefsache darin besteht, Chef einer Jury zu sein.
Auch „Baller“ muss noch bearbeitet werden. Eine gute Bühnenshow muss her, aber auch ein modernes Kamera- und Schnittkonzept. Das war am Sonnabend im Ersten nämlich eher mau – wie so üblich bei deutschen Show-Acts beim ESC.
Dass die Show auf 200 Minuten aufgebläht worden war, ist übrigens auch vollkommen überflüssig gewesen. Jeder der neun Acts musste zunächst einen Coversongs darbieten, erst dann den ESC-Song. Das Cover hätte man sich sparen können, es hatte schlicht keinen Nutzen.
Und wieso singen eigentlich in dieser Show alle live, wieso spielen die Heavytones alle 18 Songs live – und dann stellt sich Jurymitglied Yvonne Catterfeld auf die Bühne und playbackt ihren neuen Songs und macht ein paar lahme Lippen- und Körper-Bewegungen. Das wirkte dann ziemlich arm.
Ob Deutschland am 17. Mai beim ESC-Finale in der Schweiz gewinnt, ist offen und eher unwahrscheinlich. Aber erstens können wir schon mal zufrieden sein, mit einem modernen Songs anzutreten, und zweitens wäre doch eine Top-10-Platzierung auch schon mal gut.
-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 1. März 2026)
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