Marlene Lufen: Deutschland im Lockdown

MO 08.02.2021 | 20.15 Uhr | Sat.1

Der Denkfehler liegt schon in der Moderation dieses Psychotalks. Weil Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen mit einem Instagram-Video 11 Millionen Abrufe erreichte, dachte man sich bei Sat.1, dass man ihr doch dazu auch eine (vermutlich) einmalige Sendung geben könnte.
Marlene Lufen sprach in ihrem Video davon, dass man in der Coronakrise auch an die Kinder, die Depressiven und an die vielen anderen Lockdown-Folgen denken sollte. Damit hat sie natürlich recht. Dass über diese vielen Gruppen aber nie nachgedacht werde, stimmt so aber auch nicht.
Da wäre es vielleicht besser gewesen, Marlene Lufen in eine solche Talkshow einzuladen, in der sie über ihr Video, ihre Recherchen und ihre Erfahrungen sprechen kann.
Stattdessen ging am Montagabend sehr kurzfristig „Marlene Lufen: Deutschland im Lockdown“ auf Sendung. Und manchmal wirkte es, als ob Marlene Lufen selbst am meisten zu erzählen hatte.

In der Sendung kamen ein Schüler, eine depressive Frau, ein Gastronom und Koch und eine Kinderärztin zu Wort. Der Schüler sprach darüber, dass es gerade schwierig: Wie verläuft das Abi? Was kommt danach? Wie geht das ohne soziale Kontakte? Probleme, über die man sprechen muss. Die depressive Frau erzählte davon, dass es für Leute wie sie gerade eine schlimme Zeit ist: kaum Kontakte, schwierige Zukunftsaussichten. In einem Einspieler sprachen Kinder davon, was ihnen jetzt fehle: Schule, die Freunde – und es gibt die Sorge vor der Krankheit selbst. Und der Koch erzählte von der Krise seiner Branche.
Alles richtig. Alles wichtig. Alles hochproblematisch.

Was aber ist der Ausweg? Was aber wäre die Alternative? Was machen wir jetzt mit dem Lockdown? Und was ist mit den Krankenhäusern? Mit dem Pflegepersonal? Wie leiden die eigentlich? Und grundsätzlich: Leiden wir nicht gerade alle? Leiden wir nicht alle an fehlenden sozialen Kontakten? An fehlenden Erlebnissen? An fehlender Zukunftsperspektive?

Marlene Lufen sagt ja, man wolle jetzt auch mal über die Lockdown-Probleme sprechen, die ja sonst angeblich nie besprochen werden – Stichwort: Einseitigkeit. Dabei war dieser Talk ebenfalls einseitig. Es wirkte manchmal, als sei der Lockdown an allem Schuld, nicht aber das Coronavirus, über das an sich eigentlich nie gesprochen worden ist. Wenn der Gastronom und Koch sagt, man bekomme die finanziellen Hilfen nicht, dann muss da jemand sitzen, der ihm was dazu sagt, warum das so ist.
Es kann in einer journalistischen Talkshow (nun gut, es war keine journalistische Talkshow) doch nicht nur darum gehen, jetzt endlich was sagen zu dürfen. Besser wäre es gewesen, den Betroffenen Menschen gegenüber zu stellen, die vielleicht darauf antworten können, Gegenthesen aufstellen oder Dinge begründen oder bedenken oder auch überdenken können. So drehte sich die Talkshow vollkommen im Kreis, weil alle nur sagten, wie schlimm (und das ist es!) alles sei. Wie ein Selbsthilfe-Gesprächskreis. Ein bisschen mehr sollte eine solche Sendung aber schon bieten.

Natürlich ist es richtig, alle diese Menschen zu Wort kommen zu lassen. Wir alle müssen schauen, dass uns der Laden nicht um die Ohren fliegt, wir alle müssen aufpassen, nicht verrückt zu werden. Diese Sendung hat aber nur die Wirkung: Wir haben mal drüber gesprochen. Wenn den Leuten bei Sat.1 das reicht…

Irritierend war Marlene Lufens Abschlussmoderation, in der sie darauf hinwies, man solle doch mit Verständnis für die Sichtweise des anderen diskutieren, denn wir haben alle unterschiedliche Empfindungen und habe verschiedene Perspektiven auf die Krise.
Das stimmt, nur kamen in dieser Sendung eben nicht verschiedene Sichtweisen zutage. Alle waren sich über ihre Themen einig, Dispute waren nicht gewollt. Verschiedene Perspektiven erst recht nicht.

-> Die Sendung bei Joyn


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