FR 22.07.2016 | 18.45 Uhr | RTL
Ja, es hat wohl Tote gegeben. Es muss sie gegeben haben, denn bei RTL hat man sie ja in Großaufnahme gesehen. Zugedeckt zwar, aber man musste sie zwingend zeigen. Mehrmals.
Ob sich RTL-Nachrichten-Anchorman Peter Kloeppel in diesem Moment gefragt hat, ob man das überhaupt machen sollte?
Die Terrorkrise hat Deutschland nun wirklich erreicht. Am frühen Freitagabend schoss ein junger Mann im Olympia-Einkaufszentrum in München um sich. Bis zum frühen Sonnabendmorgen war von zehn Toten die Rede.
Und das deutsche Fernsehen ging in den Breaking-News-Modus über.
Das Erste unterbrach das Frauen-Fußball-Spiel (beim Männer-Fußball-Spiel hätten die Breaking News vermutlich warten müssen), und die 20-Uhr-Tagesschau dauerte 75 statt 15 Minuten, direkt danach begannen die „Tagesthemen“. Das restliche Abendprogramm entfiel komplett. Das ZDF zeigte viele Sondersendungen, bei n-tv hat man die Breaking News vorsorglich schon mal auf rund 30 Stunden ausgedehnt – bis mindestens Sonnabend, 24 Uhr.
Und diesmal mischte mal wieder RTL mit. Was aber vermutlich daran lag, dass Peter Kloeppel mit seiner Sendung sowieso dran war – und einfach nicht mehr aufhörte, zu senden. Bis etwa 22.10 Uhr, als plötzlich mit drei Stunden Verspätung „Alles was zählt“ begann.
RTL sendete am Freitagabend mehr als nur einmal sehr, sehr dicht am Rande des seriösen Journalismus. Stellenweise moderierte Peter Kloeppel allerdings – mit sorgenvoller Miene – einen Live-„Tatort“.
Live übertrug RTL, wie Menschen in Panik aus dem Einkaufszentrum rannten. RTL sprach Stefan Richter, der Reporter vor Ort Menschen an, die Angst hatten. Das heißt, er wollte, aber eine Polizistin scheuchte ihn weg – ebenfalls live on Air. Live zeigte RTL Polizisten, die mit vorgehaltener Waffe auf andere Menschen zielten, die sich wiederum mit erhobenen Händen näherten. Vermutlich hätte RTL auch live übertragen, wenn es – vielleicht sogar ja nur aus Versehen – einen Schusswechsel gegeben hätte. Vermutlich fand das bei RTL aber niemand unverantwortlich.
RTL zeigte auch Zeugeninterviews, die irgendwas erzählen durften, was keiner überprüft hat, ob es denn wirklich so war. Egal, wird gesendet, ist doch wurscht. Peter Kloeppel las ständig neue Infos von seinem Tablet – auch unbestätigte Meldungen. Egal, verbreiten wir trotzdem alles, ist doch wurscht.
Im Ersten schalteten sie stundenlang auch zu Reportern hin und her. Aber dort ging es wesentlich gemäßigter zu. Keine Waffen-Szenen live. Leichen nur sehr dosiert oder gar nicht.
Das kann man übervorsichtig, vielleicht auch langweilig finden. Dabei ist das einfach nur sehr viel verantwortungsvoller als es die RTL-Leute am Freitagabend praktiziert haben.
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