Tagesschau: Terror in Paris

FR 13.11.2015 | 23.00 Uhr | Das Erste

Diesen Freitag, den 13. November 2015, werden Matthias Opdenhövel, Mehmet Scholl und Tom Bartels wohl nie wieder vergessen. Sie kamen nach Paris, um ein Fußball-Freundschaftsspiel zu kommentieren – Frankreich gegen Deutschland. Am Ende mussten sie jedoch Horrormeldungen verkünden, das Grauen.
Und die Terroranschläge von Paris sind in der Tat der blanke Horror, und in Gedanken fühlen wir mit den Franzosen und trauern um die Opfer.

Über diesen Abend im Ersten wird jedoch zu reden sein. Denn die ARD-aktuell-Redaktion hat die Sportreporter am Freitagabend eiskalt im Regen stehen lassen.
Alles begann mit einem großen Knall während des Fußballspiels. Und noch einem.
Als in der zweiten Halbzeit die ersten Terrormeldungen eintrafen, musste Kommentator Tom Bartels sie verkünden – aber dennoch weiter das laufende Spiel kommentieren. Es fiel ihm hörbar schwer, und als die Nachricht kam, dass es dutzende Tote gab, hörte es sich an, dass er kurz die Fassung verlor.

Nach dem Abpfiff mussten dann Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl ran, sie standen im Stadionstudio. Sie wussten vom Terror nur wenig, sie wussten nur: Der Fußball ist zur Nebensache geworden, Spielerinterviews fielen weg.
Was aber sollten die Sportreporter nun sagen? Sie wurden dazu verdonnert, im Studio strammzustehen und zu beobachten, wie die Situation im Stadion ist. Mit umher irrenden Menschen, weinenden Kindern.

Dann, endlich, gut zehn Minuten nach Abpfiff, folgte die Übergabe zur Tagesschau. Susanne Daubner rief kurz die Paris-Korrespondentin, die kurz die Erkenntnisse schilderte. Das war’s, zurück zum Sport.
Und dann standen sie da, die beiden Sportreporter. Mehmet Scholl sagte gar nichts mehr, Matthias Opdenhövel war deutlich anzusehen, dass es ihm gar nicht passte, die weiteren Horrormeldungen zu verbreiten und immer wieder ins Stadion zu schalten.
Zwischendurch auch noch Fußballberichte von den anderen Länderspielen – immer mit Opdenhövels Hinweis, dass das ja eigentlich gar keinen mehr wirklich interessiere.
Gegen 23.30 Uhr (!) folgte eine weitere kurze Tagesschau, und erst um 0 Uhr übernahm die Tagesschau endgültig für eine 100-minütige Sondersendung.

Gar keine Frage: Die Sportreporter haben gemacht, was sie machen konnten, und das war angesichts der dramatischen und unübersichtlichen Lage sehr gut.
Aber es ist nicht ihre Aufgabe.
Es ist die Aufgabe der ARD-aktuell-Redaktion. Die aber war nicht bereit.
Chefredakteur Kai Gniffke verteidigt sich, man habe gedacht, der Brennpunkt sei rund um das Stadion und habe deshalb die Sportler weitermachen lassen.
Das kann aber nur eine Lüge sein, denn das ZDF war ab 23.08 Uhr mit dem (sowieso an der Stelle geplanten) „heute journal“ auf Sendung, phoenix um 23.00 Uhr mit dem (ebenfalls planmäßigen) Magazin „Der Tag“. Außerdem gab es nach 23.30 uhr bereits Statements und Pressekonferenzen, die man ja hätte ebenso live zeigen können, um Zeit zu überbrücken. Und nicht Fußballspiele.
Auf anderen Sendern war es also möglich, dass Nachrichtenredaktionen die Nachrichten verbreiten. Im Ersten nicht.

Scheinbar hat es sich gerächt, dass das Erste an Fußballabenden in Sachen Nachrichten nicht auf Stand-by ist. An Fußballabenden gibt es neben der „Tagesschau“ um 20 Uhr nur noch die „Tagesthemen“, sieben Minuten in der Fußball-Halbzeitpause. Am Freitag wären die nächsten regulären Nachrichten erst um 1.30 Uhr (!) gekommen. Heißt: Im Grunde gibt es an solchen Abenden weder „Tagesthemen“ noch „Nachtmagazin“. Es ist kaum was vorbereitet.
Kann es also sein, dass in der Nachrichtenredaktion in Hamburg schlicht Personalflaute herrschte? Oder warum konnten ZDF und Co. etwas, was Das Erste nicht konnte?

Dieser schreckliche Nachrichtentag sollte auch in der ARD zur Erkenntnis führen, auch an Fußballabenden eine vernünftige Nachrichtenversorgung zu gewährleisten.
Denn die ARD kann das – am Sonnabend hat sie es eindrucksvoll präsentiert. Auch zum Tod von Helmut Schmidt oder dem Flugzeugabsturz in den Alpen – beides geschah aber am Tage, als der Nachrichtenbetrieb sowieso auf Hochtouren lief.
Im Nachrichtennotfall aber hat sie versagt.


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