Abschied von Bellevue – Großer Zapfenstreich für Christian Wulff

DO 08.03.2012 | 18.55 Uhr | Das Erste

Es war ein Klischee, das sich mal wieder bewahrheitet hat: die Kluft zwischen dem Volk und der Politik.
Auf der einen Seite die Damen und Herren Politiker, Soldaten und militärische Marschmusik. Auf der anderen Seite das Volk, das mit Vuvuzelas und Trommeln da stand und demonstrierte. Dazwischen viel Platz, ein breiter Raum, das große Nichts.

Das Erste und weitere Sender übertrugen am Donnerstagabend den Großen Zapfenstreich für Christian Wulff. Das Event, auf das wir alle so lange gewartet haben.
So viele Nebengeräusche erlebt diese Zeremonie selten. Es herrschte ein bisschen Stimmung wie einst bei der Fußball-WM in Südafrika. Die Kapelle spielte „Over the Rainbow“ mit einem „ööööööö“-Hintergrundgeräusch.
Das passte, denn als Christian Wulff Bundespräsident wurde, war gerade WM, und die Vuvuzelas brandaktuell. Und wir haben die Dinger gehasst. Dass Wulff nun auch mit den Tröten verabschiedet wurde – joa, das passt dann wohl auch wieder.


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Kommentare

2 Antworten zu „Abschied von Bellevue – Großer Zapfenstreich für Christian Wulff“

  1. ThomasS

    Man kann Christian Wulff wohl sicherlich zu Recht einiges an Fehlverhalten vorwerfen. Aber indem er sich diesem Zapfenstreich gestellt hat, hat er m.E. dennoch irgendwie Rückgrat gezeigt.

    Es hätten vermutlich alle Verantwortlichen (vom Heeresmusikkorps bis zur Security) aufgeatmet, wenn Herr Wulff stillschweigend auf diese Ehrung verzichtet hätte und sang- und klanglos von der politischen Bildfläche abgetaucht wäre.

    Von den politischen Größen unserer Republik ganz zu schweigen. Denn die hat Wulff mit seiner Einladung vor die prekäre Entscheidung gestellt, ob sie das schlechterdings ignorieren sollen oder einfach absagen oder mit dem Ausdruck des Bedauerns absagen. Nicht wenige Politiker sollen dieser Einladung sogar gefolgt sein. Bei so jemandem wie Westerwelle kann ich mir aber z.B. sehr gut vorstellen, dass er der Veranstaltung ohne Absage fern geblieben ist, um seine moralische Entrüstung zu demonstrieren.

    Natürlich konnte sich auch Wulff als erfahrener Politiker vorher denken, dass die Veranstaltung für ihn weniger auf ein hübsches Blaskonzert, getragen von der Liebe, hinausläuft als vielmehr auf ein exzellentes Spießrutenlaufen. Trotzdem hat er sich die 90 Minuten m.W. wacker geschlagen. Ansonsten hätte gewiss tags darauf die Bildzeitung es sich nicht nehmen lassen zu titeln: „ZUSAMMENBRUCH BEIM ZAPFENSTREICH: ZEIGT WULFF JETZT ENDLICH REUE?“ War’s`so? Nö, oder?

    Ich meine, man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, dass sich ein hochdotierter Politiker für rund 16.000 netto im Monat (und das lebenslang) auch schon mal ne Stunde lang mit Vuvuzelas beschallen lassen kann. Sein Leiblingslied „Somewhere over the rainbow“ kann er sich dann ja immer noch ungestört anhören. Notfalls kann er sich für das Geld sogar ein Blasorchester mieten, das ihm ungestört den Song mindestens 24 Stunden lang ununterbrochen vorspielt, wenn er das will. Plus Konzertsal irgendwo in Südamerika oder im asiatischen Raum, wo von diesen erzürnten Wutbürgern mit den Vuvuzelas eh keiner hinkommt.

    Ob das nun gut ist oder nicht, das ist aber gar nicht die Frage.

    Die eigentliche Frage ist die:

    Wie hätten WIR wohl reagiert, wenn jemand wie Christian Wulff einer unserer Freunde und Weggefährten gewesen wäre. Wären wir ihm auch nach dem Skandal zur Seite gestanden? Oder hätten wir ihn knallhart fallen gelassen wie ne heiße Kartoffel?

  2. RT

    Na ja, kommt doch drauf an, WAS für ein Freund das ist. Ist es ein persönlicher enger Freund wird man ihn wohl nicht fallen lassen. Aber auch ein persönlicher enger Freund müsste sich von mir anhören, was ich davon halte.
    Hat bislang bei mir ganz gut funkioniert – auch wenn ich natürlich keinen Politiker als Freund habe.