FR 08.08.2025 | 13.15 Uhr | Offener Kanal Wernigerode
Live! Die Kamera hält drauf, auf einem der Startblöcke des Waldhofbades in Wernigerode im Harz, steht ein Mann, etwas dicklich. Ob er weiß, dass er live ins Fernsehen und die Welt übertragen wird, ist nicht bekannt. Er steht jedenfalls auf dem Startblock. Er soll eine arschbombe machen.
Immerhin ist er Teilnehmer der 2. Arschbombenmeisterschaft im Waldhofbad Wernigerode. Aber er zögert. Nervös steht er da und guckt auf das Wasser. Aber er springt nicht.
Von hinten nähert sich ein Mann mit Mikro, flüstert ihm irgendwas zu. Daraufhin überlegt der Mann kurz, verlässt dann den Startblock und läuft an den Beckenrand.
Dann hüpft er rein, aber von einer Arschbombe kann man dabei nicht reden.
Er bekommt trotzdem ein Lob vom Moderator.
Es ist nicht sicher, aber es wirkt, als habe der Mann eine körperliche oder geistige Behinderung.
Nachdem der Mann gesprungen, wird ein weiterer Vorname aufgerufen. Ein Kind klettert den Sprungturm hoch. Er zögert kurz, dann springt auch er. Auch keine richtige Arschbombe, er bekommt von den Wertungsrichtern trotzdem fünf Punkte (wie viel insgesamt möglich sind, weiß ich nicht)
Es ist nicht viel los im Freibad von Wernigerode. Das Interesse an der Veranstaltung ist nicht groß. Ein Junge steht im Hintergrund und kratzt sich gerade am Hintern, aber zum Glück lässt er seine Shorts angezogen. Ob er weiß, dass er gerade live übertragen wird?
Es gibt ja diese Momente, da bleibt man in einem Programm hängen und kann nicht fassen, was man da sieht.
Am Freitagnachmittag übertrug der Offene Kanal Wernigerode live die besagte 2. Arschbombenmeisterschaft aus dem städtischen Freibad. Es gab auch einen Livestream auf Youtube (der übrigens im Laufe des Nachmittags gesperrt wurde, aufgrund von Youtube-Regelverstößen, vermutlich wegen der Musik).
Die Sache ist nur: Man könnte es putzig nennen und auf irgendeine Art und Weise kultig. Aber in Wirklichkeit war es bizarr.
Bizarr deshalb weil schon vor Ort eigentlich niemand, außer den Akteuren, an diesem Wettbewerb interessiert war. Bizarr deshalb, weil man sich gefragt, für wen man so was eigentlich überträgt? Bizarr deshalb, weil man heute ja weiß, dass spärlich bekleidete Kinder live im Internet eher nichts ist, was man zeigen sollte. Bizaar deshalb, weil nicht klar war, ob allen bewusst war, dass sich live in einer Übertragung zu sehen sind
Heutzutage sind Fotoerlaubnisse für die Presse an Schulen extrem schwierig, weil alle Eltern zustimmen müssen. Haben hier auch alle zugestimmt? Auch der eine Mann, der sich nicht traute, vom Startblock zu springen?
Wer sich für den Wettbewerb anmeldete, bekam jedenfalls nichts von einer Live-Übertragung zu lesen, man unterschrieb auch in der Datenschutzerklärung nicht dafür, dass das live übertragen wird.
So schön es ist, lokale Sender zu haben, auf denen Dinge zu sehen sind, die man nirgends sonst zu sehen bekommt. Aber diese Live-Übertragung war dann doch eher zweifelhaft, aus der Kategorie: Nächstes Mal lassen wir das.
Und so war auch der witzige Höhepunkt der Übertragung, dass der Moderator einen Jungen, der gerade gesprungen ist, fragt, ob er nächstes Mal wieder dabei sei. Und der Junge antwortet ganz trocken: „Nö.“
-> Die Übertragung beim Offenen Kanal Wernigerode auf Youtube
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