FR 29.11.2024 | 21.45 Uhr | Das Erste
Christian Lindner ist FDP-Chef. Noch, könnte man sagen. Denn haltbar ist er eigentlich nicht mehr.
Am Freitagabend hat er Jessy Wellmer für die „Tagesthemen“ im Ersten ein bemerkenswertes Interview gegeben. Bemerkenswert, weil ziemlich erschreckend.
Es geht um das FDP-Papier, mit dem der Ablauf des Austritts aus der Ampel-Regierung aufgezeigt werden sollte. Überschrieben war es mit „D-Day“, was auch immer das heißt. D-Day ist aber auch der Tag 1944, der „Decision Day“, an dem in Frankreich die militärische Befreiung Europas vom NS-Regime begann. Es gab viele Tote.
Der Begriff schwebt schon mehr als eine Woche durchs Land, bislang stritt man in der FDP ab, dass es dieses Papier dieses Namens gibt – bis es plötzlich dann veröffentlicht worden ist.
Der Bundesgeschäftsführer und der Generalsekretär der FDP sind zurückgetreten – Lindner nicht.
Warum nicht – das ist aus dem Interview, in dem Christian Lindner durch pures Schwafeln versucht hat, sich aus der Affäre zu ziehen, vollkommen unklar.
Aber Jessy Wellmer ließ nicht locker, und das führte dazu, dass Lindner ziemlich ins Schwitzen kam, weil er merkte, dass er mit seinem Ablenkungsgeschwafel nicht weiterkam. Dennoch beantwortete er keine einzige Frage ganz klar mit Ja oder Nein, sondern umging sie mitunter vollkommen.
Mehrfach redet Lindner von „Gesamtverantwortung“, die er tragen würde. „Das Papier ist auf einer Arbeitsebene entstanden, und ich will mich hier ausdrücklich vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen“, so Lindner weiter. Ob das auch für Generalsekretär und Bundesgeschäftsführer gilt, weiß man nicht. Dass Lindner nichts von diesem Papier wusste („Ich habe das nicht zur Kenntnis genommen, ich hätte es nicht gebilligt.“), wirkt wie eine ganz billige Ausrede – und es besteht der Verdacht der blanken Lüge. Der FDP-Chef will nicht gewusst haben, was seine Leute erarbeiten? Das ist schlicht lächerlich.
Und übrigens ist selbst das ein Rücktrittsgrund – wenn man als Chef nicht weiß, was im eigenen laden passiert, und dass die eigenen Mitarbeiter etwas vor ihm verheimlichen.
Wenn man überlegt, was in früheren Jahrzehnten die Gründe waren, warum verantwortliche Politiker von ihren Ämtern zurückgetreten sind, dann fragt man sich, was heute da eigentlich geschehen muss. Aber vielleicht fällt ja ja FDP-intern auch noch auf, dass man irgendwie irgendwas an der Spitze ändern könnte…
Das Interview in der Härte, aber auch, wie Lindner darauf reagiert, ist jedenfalls ein echter Fernsehmoment.
-> Das Interview schriftlich und als Video auf tagesschau.de
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