DO 26.09.2024 | 12.00 Uhr | Youtube
Es war von Machtergreifung die Rede. Vielleicht hat der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer CDU, Andreas Bühl, da ein wenig zugespitzt. Was aber am Donnerstag in Erfurt passiert ist, ist beispiellos in der deutschen Parlamentsgeschichte.
Es waren bedrückende, gespenstische und am Ende auch beängstigende Stunden.
Dabei ging es nur darum, die konstituierende Sitzung durchzuführen, zudem soll der/die Landtagspräsident/in gewählt werden.
Die AfD ist zwar die größte Fraktion im Landtag, aber niemand will mit der Partei, die als rechtsextremistisch eingestuft wird, koalieren. Somit hat sie keine Mehrheit, und somit kann sie auch ihre Personalien nicht durchsetzen.
Aber weil Jürgen Treutler der Älteste im Parlament ist, durfte er Alterspräsident sein, der die Sitzung so lange leitet, bis die eigentliche Person in dieses Amt gewählt ist.
Das hat die AfD eiskalt für ihre Zwecke ausgenutzt. Jürgen Treutler ließ keine Anträge zur Geschäftsordnung zu, weil er der Meinung war, dass das erst nach der eigentlichen Konstituierung möglich sei. Da lag er falsch, wie sich später rausstellte. Treutler blockierte, wo er konnte, brach mehrfach die Sitzung ab, verteilte Ordnungsrufe (was er als Alterspräsident gar nicht kann) und drohte damit, alle Mikros abzustellen, damit er in seiner Rede nicht gestört werde. Seine Rede, die parteipolitisch war und die übliche AfD-Hetze verbreitete. Ging es darum, wie es weiter gehen sollte, kamen die Anweisungen scheinbar direkt von Bernd Höcke, der sie an seinen parlamentarischen Geschäftsführer und der zur Treutler-Marionette weiterleitete.
Einerseits konnte einem der Treutler leid tun, der da im Parlamentssturm saß, aber andererseits schien er diese Macht auch sehr zu genießen.
In der Hinsicht war es tatsächlich eine Art Machtergreifung. Der Alterspräsident, die AfD, versuchte die Deutungshoheit über die Gesetze zu erlangen, alle anderen sollten mundtot gemacht werden.
Das war ein kalkulierter Eklat, ein Angriff auf die Demokratie und ein Vorgeschmack dessen, was passiert, wenn die AfD an die Macht kommt. Es wehte ein gewaltiger, stinkender Hauch von Faschismus in der Landtagsluft von Erfurt.
AfD-Fans werden diesen Nachmittag feiern, weil, wie sie finden, sie den „Altparteien“ gezeigt haben, wo der Hammer hängt. Demokraten werden feststellen, dass es fast zu spät ist, die Nazis an der Rückkehr zu hindern. Ostdeutschland rückt stark nach rechts, und die Rechten/Rechtsextremen wähnen sich in der Mitte, weil man ja ungern rechts oder gar rechtsextrem sein will. Sie dringen tatsächlich in die Mitte vor, aber rechtsextrem bleibt rechtsextrem.
Die Kommentatoren des mdr in der Live-Übertragung waren einigermaßen fassungslos angesichts dessen, was da geschah. Am Ende wurde die Sitzung nach mehr als vier Stunden abgebrochen, und die CDU rief das Verfassungsgericht an. Das gab der CDU recht, und am Sonnabend konnte die Sitzung fortgesetzt werden. Obwohl die AfD ja mit der Verfassung nichts am Hut hat. Vermutlich gehen die Faschisten davon aus, dass sie von fünf Jahren wirklich handeln können.
Apropos mdr: Der Sender übertrug das Politik-Debakel live nur auf Youtube. Im linearen Programmen gab es stattdessen Serien- und Filmwiederholungen. Wieso eigentlich? Sollte der mdr nicht dafür da sein, genau so was zu übertragen? Spätestens als klar war, wohin sich das alles entwickelt, hätte man beim mdr reagieren müssen. Keine Glanzleistung.
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