Nuhr im Ersten: Johann König

MI 19.06.2024 | 22.00 Uhr | NDR

Rechts gegen Links. Und die Mauern wieder immer höher. Das sieht man zum Beispiel auch an der eigentlich ziemlich merkwürdigen Diskussion um den Kabarettisten Dieter Nuhr.

Es wird ja immer wieder bemängelt, dass das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen einen Linksdrall habe. Gerade beim Kabarett. Wobei die entsprechenden Shows nicht gerade selten auch gegen die Regierung schießen – genau genommen schießen sie gegen alle. Gegen Rechte, gegen Linke, gegen die dazwischen und außerhalb. Wer da einen Linksdrall sieht, schaut entweder nicht richtig hin und steht im Meinungskorridor eh sehr weit rechts.

Andererseits gibt es immer wieder Kritik an Dieter Nuhr, dass er ja ziemlich weit rechts stehe, was an seinen Gags abzulesen sei.
Ich habe das bislang nicht so wirklich nachvollziehen können, in seinen Jahresrückblicken übt Nuhr natürlich Kritik an der deutschen Politik und Gesellschaft, und das muss ja auch nicht jedem gefallen. Aber er hat auch einen klaren Standpunkt gegenüber der AfD – dagegen.
Wenn man aber natürlich immer nur kleine Programmausschnitte vorgesetzt bekommt und sich nicht das komplette Bild macht, dann machen solche Diskussionen nicht viel Sinn.

Am Mittwoch wiederholte der NDR die jüngste Ausgabe von „Nuhr im Ersten“, die Sendung ist ja so was wie der Nachfolger von Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“.
Und in dieser Ausgabe ist etwas Bemerkenswertes passiert. Der Komiker Johann König wurde plötzlich politisch.
Er sprach plötzlich über die letzten Monate der Ampelregierung. Wenn er die beurteilen müsste, sei seine Meinung relativ klar: „Es gab viele Fehler, es gab grobe, handwerkliche Fehler, kommunikative Fehler, Stichpunkt Heizungsgesetz, Gasumlage. Annalena Baerbock ist komplett überfordert in ihrem Amt, Christian Lindner ist ein lupenreiner Klientel-Lobbyist, Robert Habeck ist ein Warmduscher, und Olaf Scholz ist ein Waschlappen.“
Als Johann König das sagte, gab es riesigen, johlenden Applaus vom Publikum.

Und König machte große Augen. „Da applaudiert ihr?“, fragte er. „Da bricht so ein Applaus aus? Das findet ihr lustig, oder was?“ Eine Frau rief mehrmals „Ja!“ Und König weiter: „Leute, war das für euch Kabarett, oder was? Im Ernst?“ Wieder Zustimmung. „Ihr nickt auch noch. Leute, das gerade, das war blanker Populismus. Habt ihr es nicht gemerkt, oder was?“ Und weiter: „Seid ihr empfänglich für Populismus? Hier im Saal, haben wir ein Problem hier im Raum? Leute im Ernst, oder was? Denkt mal nach, bevor ihr applaudiert. Ja, jetzt fühlt ihr euch ertappt, oder was? Leute, missversteht mich nicht falsch, ich bin nicht sauer, ich bin einfach enttäuscht. Und das ist noch viel, viel schlimmer.“

Ein sehr interessanter Augenblick. Denn die Leute waren bei seiner vorherigen Rede regelrecht aufgepeitscht, es hat ihnen gefallen. Später wurde es schon ruhiger.
Dieter Nuhr saß zwar die ganze Zeit auf der Bühne daneben, war aber leider in dem Moment nie zu sehen.

Nach Königs Auftritt begann Dieter Nuhr einen Stand-Up über Annalena Beerbock, der dem Publikum natürlich sehr gefallen hat. Voll anti und so. Was auch vollkommen in Ordnung und auch nicht populistisch war, weil Dieter Rohr mit den Mitteln des Kabaretts, der Überspritzung Kritik an einer Politikern übte. Was vollkommen normal und erst mal nichts rechts ist.

Vor Johann König war übrigens Simone Solga dran. Das war passend, weil Königs Aktion wahrscheinlich ungewollt eine Reaktion auf ihr Gesagtes war. In ihrem Stand-up ging es im nicht lustigen Teil darum, dass die Deutschen ja nur aufstehen würden, wenn es gegen Rechts gehe. Wenn es um das Kalifat gehe, um ein judenfreies Israel, dann bleibe Deutschland ganz brav sitzen.
Diese Vermischung ist weder lustig, noch sinnvoll. Sie wertet auch die Demos gegen Rechts ab, und vermutlich war Frau Solga nicht dabei, was natürlich auch in Ordnung ist. Das eine aber gegen das andere aufzuwiegen, ist schwierig.
Die Lage in Israel ist in jeglicher Hinsicht schwierig. Die Probleme mit islamischen Straftätern gibt es. Es sind aber Thematiken, die so vielschichtig sind, dass sie mit einer Demo gegen Rechts nicht vergleichbar. Und wieso ist es Simone Solga eigentlich so wichtig, die Demos gegen Rechts herab zu würdigen, warum prangert sie die nicht stattfindenden Großdemos zu den anderen Themen nicht an, ohne über die Demos gegen Rechts (die ja eigentlich gegen Rechtsextreme waren) rumzunölen.
Und genau auch wegen Solgas Pseudo-Kabarettquatsch war Johann König vermutlich da, um die Leute ml auszutesten. Hat funktioniert.

-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 6. Juni 2025)


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