Landtag live: Sondersitzung zur „Flugblattaffäre“ um Minister Aiwanger

DO 07.09.2023 | 11.50 Uhr | BR Fernsehen

Aiwanger schweigt. Söder auch. Der bayerische Ministerpräsident und sein Stellvertreter haben es nicht nötig, in der Sondersitzung des Zwischenausschusses des Landtages zu sprechen.
Dennoch war es ein spannendes Stück Politik, das das BR Fernsehen am Donnerstagmittag live übertrug.

Ein 35 Jahre altes Flugblatt sorgt für großes Aufsehen. Es wurde damals bei Hubert Aiwanger gefunden. Es ist voller Hetze übelster Art, mit viel KZ-Geschwurbel. Rundum eklig. Die Süddeutsche Zeitung hat die Story zuerst veröffentlicht. Nachdem der Freie-Wähler-Politiker erst gar nichts dazu gesagt hat, erklärte er, dass das Flugblatt von seinem Bruder stammte. Angeblich.
Nachdem Aiwanger schriftlich 25 Fragen beantwortet hatte (er konnte sich allerdings nicht wirklich an irgendwas erinnern, schrieb aber sinngemäß, es sei einscheidend gewesen. Nun ja. Söder teilte jedenfalls später mit, Aiwanger nicht entlassen zu wollen.

Daraufhin kam er zur Debatte, die live im BR zu sehen war. Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Grüne) hatte auch noch ein paar Fragen: „Finden Sie es passend, nach einer dürftigen Entschuldigung sofort in einen Opfermodus überzugehen?“ Wieso habe er sich tagelang in Schweigen gehüllt? Wieso habe er nicht gleich den Verfasser der Hetzschrift benannt?“ „Warum besuchte im Jahr 2008 die Landtagskollegin Jutta Wittmann Ihren ehemaligen Lehrer und befragte ihn?“ Es ging um fehlende Reue und Täter-Opfer-Umkehr. „Wie klingt für Sie eine ehrliche Entschuldigung? Wie sieht Reue aus, wie Bedauern?“ Er verweist darauf, dass Aiwanger bei 14 von 25 Fragen auf Erinnerungslücken verweist. „Wie passen Ihre vielen Erinnerungslücken mit der Antwort zusammen, dass dieser Vorfall ein einschneidendes Erlebnis für Sie war?“

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fragt er: Ob er sich mit seiner Aiwanger-Entscheidung wohl fühle. „Durch welche konkreten Aussagen konnte Hubert Aiwanger Ihre Zweifel im persönlichen Gespräch ausräumen?“ Was habe ihn dazu gebracht, Aiwangers Erzählung zu glauben.

Keine Antworten. Weder von Söder noch von Aiwanger. Söder starrt vor sich hin oder schaut runter auf Notizen, Aiwanger guckt so rum – und es wirkt, als arbeite es durchaus in ihm. Manchmal wirken seine Augen feucht.
Dabei waren die Fragen von Ludwig Hartmann alle sehr spannend, alle trafen sie wunde Punkte.

Martin Hagen (FDP) erinnerte an Berichte von Lehrern und Mitschülern, die ein ziemlich düsteres Bild vom jugendlichen Aiwanger zeichnen. Hagen verwies zudem auf Kommentare von Journalisten konservativer Medien zum Thema. So von wegen „Kampagne linker Medien“.
Ulrich Singer von der rechtsextremen AfD schwurbelte dagegen: „Die Vorwürfe liegen über 35 Jahre zurück.“ Der eigentliche Skandal sei, „dass der Lehrer Schulgeheimnisse gesammelt hat. (…) Sammeln die SPD-nahen Lehrer auch über andere Schüler Informationen? Hat das Methode?“ Was der bekloppteste Wortbeitrag des Mittags war. Typisch AfD: Täter-Opfer-Umkehr der übelsten Art.

In der Sitzung zeigte sich, dass eigentlich in der Causa Aiwanger die richtigen Fragen gestellt werden. Dass sie nur leider nicht beantwortet werden. Jedenfalls nicht wirklich und nicht ernsthaft. Stattdessen wird das Thema oberflächlich abgehandelt, und die Konservativen wollen eigentlich gar nicht drüber sprechen und alles unter den Tisch kehren. Aber vielleicht läuft ja die Recherche noch, von wem denn das Flugblatt wirklich war. Für Aiwanger und Söder war dieser Donnerstagmittag auf jeden Fall eine unangenehme und peinliche Veranstaltung.

-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 6. September 2024)


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert