MO 27.02.2023 | 16.00 Uhr | Sat.1
Jasmin Wagner muss vor Beginn der Sendung schnell noch Staubsaugen. Man sieht es im Countdownfenster während der Wiederholung der „Klinik an der Südsee am Südring“. Angeblich wartete ganz Deutschland auf den Beginn des neuen Sat.1-Experiments „Volle Kanne“, äh, „Volles Haus“.
In Wirklichkeit war es allerdings so, dass so ziemlich ganz Deutschland die Sat.1-Premiere ignorierte.
„Volles Haus“ heißt die Live-Strecke, die nun immer montags bis freitags zwischen 16 und 19 Uhr laufen soll. Wobei nicht das ganze Programm live ist. Denn Teil der Sendung sind auch eine Talkshow, Doku-Soap und andere längere Beiträge.
Jasmin „Blümchen“ Wagner und Jochen Schropp moderieren, und zu Beginn quatschen sie ein bisschen miteinander, wie aufgeregt sie seien, und dass sie sich Glück wünschen.
Einen Vorspann hat das „Volle Haus“ allerdings nicht, entweder ist er zu teuer oder noch nicht fertig. Wobei ja „Volles Haus“ ein bisschen übertrieben ist, denn voll ist im Haus vielleicht nur der Kühlschrank.
Irgendwer hielt es für eine gute Idee, die Sendung damit zu beginnen, dass ein als Johnny Depp verkleidete Typ auf der Berlinale die Sicherheitsleute reinlegte, um auf die Sendung aufmerksam zu machen. Viele Zuschauer werden das zum Glück nicht mitbekommen haben, weil sie sich vielleicht schnell einen Kaffee gebrüht haben. Von lustig war der Film jedenfalls so weit entfernt wie der Äquator von Köln.
Wie kann es eigentlich sein, dass Programmplaner sich monatelang über ein neues Format Gedanken machen – und dann feiert es Premiere, und man merkt nach spätestens einer Stunde: Das funktioniert irgendwie nicht. Seit wann haben Fernsehmacher ein so schlechtes Gefühl für gutes Fernsehen – oder zumindest Fernsehen, das funktioniert.
Jeder gute Fernsehmacher sollte doch zum Beispiel im Gefühl haben, dass es blödsinnig ist, Britt Hagedorn ins Hau einzuladen, damit sie sich aufs Sofa setzt, um Britt Hagedorn in „Britt“ zu sehen. Denn „Britt“ ist jetzt Teil von „Volles Haus“ – wo man die Show auf 25 Minuten runterschneidet. Und wo sich früher irgendwelche Damen und Herren angekeift haben, stehen jetzt liebe Omis und erklären uns, wie man Energie spart. Wirklich sehr, sehr aufregend.
Britt selbst findet ihre eigene Show übrigens auch so lahm, dass sie die nicht schaut, sondern – so war es in einem Vorschaufenster während „Britt“ zu sehen – schon die nächsten Gäste im nicht wirklich vollen Haus zu begrüßen. Und das während bei „Britt“ der Schriftzug „live“ steht, der da schlicht eine Lüge ist.
Warum kann man nicht wenigstens so tun, als würde man eine Live-Situation haben. Warum zieht sich Britt nicht dieselben Klamotten an wie in der Talkshow und geht, bevor es losgeht, aus dem Studio, um dann in ihrem eigenen Studio zu moderieren? Aber nein, man gibt sich keine Mühe, man denkt nicht nach, es ist halt alles wurscht.
Aber Zuschauer merken das und fühlen sich verarscht, und das vollkommen zurecht.
Es folgten überlange, uninteressante Doku-Soap-Beiträge, und dann war es 17.30 Uhr. An der Stelle laufen in vielen Bundesländern Regionalprogramme. Und die Leute, die sich „Volles Haus“ ausgedacht haben, tönten vorher, man wolle die Regionalmagazine ganz geschmeidig einbinden.
Es ging gerade um einen Nudelsieb (wahnsinnig aufregend!), aber da Ende des Beitrages bekamen die meisten Zuschauer nicht mehr mit, weil die 17.30 Uhr-Marke leider verpasst wurde. Jochen Schropp wollte gerade ansetzen, zu erklären, dass jetzt … aber da sagte man ihm scheinbar ins Ohr, er müsse nichts mehr sagen, weil die Regionalmagazine ja schon laufen, also wurde das Thema ganz ignoriert. Absoluter Fehlschuss.
Bei Sat.1 wollte man etwas Neues wagen. Das Programm am Nachmittag dümpelt seit Jahren gelangweilt vor sich hin – da sollte neuer Schwung her.
Nun gut, neu ist die Idee einer moderierten Nachmittagssendung nicht. Der mdr hat sich das vor mehreren Jahrzehnten schon ausgedacht, dort heißt das Format „Hier ab vier“. WDR, BR, SWR und hr haben ähnliche Sendungen im Programm – und jetzt auch Sat.1.
Aber es muss die Frage erlaubt sein: Was soll das? Und für wen soll das sein? Die junge Zielgruppe interessiert sich nicht für Spar- und Kochtipps, öde Dokusoaps wollen sie auch nicht sehen, „Britt“ lief auch vorher nicht so doll. Und die ältere Zielgruppe schaut eh kaum noch Privatfernsehen, wie die niedrigen Quoten zeigen. Und wenn sie das Original schauen wollen, dann schalten sie das „ARD-Büfett“ ein.
Hinzu kommt die fehlende Orientierung. Nie wird den Zuschauern gesagt, wann was beginnt. Irgendwann kommt halt Britt, irgendwann kommt Ingo Lenßen, später wird gekocht, und im Laufe der Sendung wird bei „Bunte“ geklatscht. Aber alles bleibt vage.
„Volles Haus“ strotzt vor Langweiligkeit. Die Beiträge sind zu lang und vollkommen beliebig, es fehlt an Aktualität und Relevanz. Zwar scheint man viel in die Kulisse investiert zu haben – in den Inhalt dagegen viel zu wenig. Was passiert denn bloß, wenn wirklich was Relevantes passiert – so ein Tag wie der Kriegsbeginn in der Ukraine – zeigt Sat.1 dann in „Volles Haus“ auch sein Ist-doch-alles-egal-Programm?
Einerseits können einen Jasmin Wagner und Jochen Schropp wirklich leid tun. Aber andererseits klang das Konzept schon vorher so, dass es sehr skeptisch machte – und die sehr niedrigen Erwartungen sogar ich unterbot. Das muss man ja auch erst mal schaffen.
In Sachen Kulisse hat man sich sehr viel Mühe gegeben. Es sollte
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