Wetten, dass…?

SA 19.11.2022 | 20.15 Uhr | ZDF

Wochenlang freut mich sich, weil wieder „Wetten, dass…?“ im Programm ist, und nach 15 Minuten weißt du, warum die Zeit für diese Show eigentlich schon Ende der 2000er so langsam zu Ende ging. Und dann sitzt (oder liegst) du da und kannst fast drei Stunden lang nicht glauben, dass du die auf diese Show wirklich so sehr gefreut hast.

Ein Jahr nach der großen Comeback-Show meldete sich „Wetten, dass…?“ am Sonnabendabend im ZDF zurück. Einmal im Jahr geht die Show nun über die Bühne (so ist das zumindest geplant, ob das nach dieser Show immer noch so ist, muss man mal abwarten). Und war die 2021er-Folge ganz passabel, so fiel die Show 2022 schon wieder ins Ideen-Nirvana. Erstaunlich lustlos kam die Sendung aus Friedrichshafen daher.

Und wo soll man da anfangen? Bei Thomas Gottschalk, der am Sonnabend seltsam fahrig wirkte? Dass er seit einiger Zeit seltsam lispelt, ist nicht neu. Was aber auffällt: Gottschalk ist nicht mehr richtig präsent. Ja, er ist 72, vielleicht liegt es schlicht daran. Aber stellenweise wirkte er nicht wie der Herr über seiner Sendung. Die Gespräche führte er oft sehr leise, es lag viel zu oft eine seltsame Stille über der Show. Dass er Namen vergaß, gut – geschenkt. Dass er Altherrenwitze macht, das kennen wir auch. Den Gegenpool bildete einmal mehr Michelle Hunziker, und Gottschalk kann dankbar sein, dass er sie hat. Manchmal wirkte es, als wolle sie die Show aus der Lethargie heben, als merkte sie, wenn sich Gottschalk in seiner Fahrigkeit verfranste. Sie war lauter und fröhlicher als er.

Die Wetten: Nur zwei stachen so richtig raus. Die beiden Männer, die sich auf der fahrenden Achterbahn – einer vorne, einer ganz hinten sitzend – ein Handy zuwarfen. Das hat am Ende nur ein- von sechsmal funktioniert, war aber spannend. Auch der Typ, der Fingerabdrücke aus vielen anderen rauserkennen konnte, war toll. Ganz nett war auch noch die Wette, wo der Inhalt von Brettspielen auf den Tisch gekippt wurden und jemand anhand des Geräusches erriet, welches Spiel es ist.

Aber, nein, es braucht nicht in jeder Show eine Baggerwette.

Die Gäste: Im Vorfeld polterte Gottschalk, er wolle echte Stars in seiner Show. Und Mark Forster und Lena seien in seinen Augen keine. Das ist zwar leicht unverschämt und ignorant – aber dann wollen wir in dieser Sendung auch mal sehen, was das ZDF da zu bieten hat. Es kam: Veronica Ferres mit ihre Tochter. Wahnsinnig aufregend. John Malkovich. Verdienter Schauspieler, aber leider auf dem Sofa ein Langweiler. Robbie Williams. Immer noch ein großer Star, auch unterhaltsam, aber seinen ersten Auftritt mit dem Song „Lost“ versemmelte er. Er war in der Tat irgendwie „Lost“, die Töne aßen nicht, alles wirkte lustlos. Bully Herbig und Christoph Maria Herbst. Joa, ganz lustig, allerdings stellt sich Herbst mehr und mehr als arroganter und zynischer Fatzke heraus: Es macht eine Show nicht besser, wenn da ein Gast sitzt, sich sich immer wieder herablassend zum Geschehen äußert. Dann soll er halt zu Hause bleiben. Man kann gern Witzchen machen, nur wirken sie bei ihm sehr unsympathisch. Als dann die Social-Media-Zwillinge Lisa und Lena Wettpatinnen waren – da erinnerte man sich an den großmäulige Gehabe Gottschalks, dass ihm Mark Forster zu poplig sei. Glanz in die Hütte brachte am Ende wenigstens Herbert Grönemeyer.

Die Show dauerte unfassbare 207 Minuten. Schon die geplanten 180 waren viel zu lang.

Erschreckend ist einerseits die miese Ausführung der Show. Oft gab es Tonfehler. An vielen Stellen wirkte das alles ungeprobt, seltsam unbeholfen und verkrampft. Piefig.

Und andererseits die vollkommen fehlende Kreativität der Macher der Show. Man setzt voll auf Retro, man hat aber offenbar absolut keine Lust, auch mal ein bisschen was Modernes, Neues zu machen. Die Saalwette fehlte völlig, die Musikauftritte waren routiniert, aber unauffällig (das macht inzwischen das ZDF-Magazin Royale richtig gut!), die Stimmung war extrem lau, der Sendung fehlte fast komplett der Pep.

Wenn das ZDF weiter mit „Wetten, dass…?“ plant, dann müssen sich die Macher aber wirklich mal auf den Hosenboden setzen. Eine Show-Event, das einmal im Jahr veranstaltet wird, muss qualitativ in jeglicher Hinsicht herausstechen. Und zwar nach oben, und nicht nach unten.


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