Debatte um „Schroeder & Somuncu“-Podcast

DI 15.09.2020 | 16.10 Uhr | radioeins

Es hat immerhin acht Tage gedauert, bis die Bombe geplatzt ist, und es ist mal wieder das passiert, was inzwischen zum guten Ton zu gehören scheint: Jemand wirft den Leuten einen Brocken hin, und die Menschen stürzen sich drauf.
Schon am Sonntag, 6. September, zelebrierten Florian Schroeder und Serdar Somuncu die 7. Ausgabe ihres gemeinsamen Podcasts – live auf Instagram. Sie sprachen weit mehr als drei Stunden über die Themen unserer Zeit.
Am Montag, 7. September, ging auf Youtube der Videomitschnitt online, ebenso der Audiomitschnitt in der ARD-Mediathek, bei Spotify und auf anderen Plattformen. Denn neu war, dass nach der Sommerpause erstmals radioeins vom rbb als Medienpartner und präsentierender Sender dabei war – auch wenn „Schroeder & Somuncu“ nicht im Radio läuft, sondern nur im Netz gestreamt wird.

Am Montag, 14. September, erschien auf Twitter ein etwa zweiminütiger Ausschnitt. Er beinhaltete eine in der Tat problematische Passage. Darin schlüpft Serdar Somuncu scheinbar in eine seiner Pöbelrollen und lässt durchaus unangenehme Dinge vom Stapel. Frauenfeindlich, rassistisch, widerlich. Und Florian Schroeder beömmelt sich.
Acht Tage nach der Live-Sendung und sieben Tage nach der Veröffentlichung der Aufzeichnung sorgen diese zwei Minuten für eine Empörungswelle, für den gefühlt 2898. Shitstorm in diesem Jahr.
Dass sich in den restlichen 193 Minuten Schroeder und Somuncu auf recht spannende Weise über Rassismus, Politik und Gesellschaft. Und sie sprechen auch über die heutige Diskussionskultur, die viel zu oft darauf fußt, dass jemand ein Bröckchen hinwirft, einen kleinen Ausschnitt einer großen Sache – und die Diskussion hochkocht. Es ist, als ob die beiden hellsehen konnten.

Am Dienstagnachmittag warf sich radioeins-Programmchef Robert Skuppin in den Staub. Er entschuldigte sich, er sagte, man habe das Ding bearbeiten müssen, das habe man nicht getan. Dabei war die Sendung bearbeitet worden und durch kurze Sendungsjingles ergänzt worden. Aber sonst hat bei radioeins keiner mal reingehört?
Nun gut. 195 Minuten. Die muss man auch erst mal schaffen, und ob es wirklich nötig ist, so einen Podcast auf 195 Minuten auszuwalzen, steht auf einem anderen Blatt.
Aber dass vorübergehend sogar die komplette Sendung aus dem Netz verschwunden war, ist peinlich und der Sache überhaupt nicht dienlich. Denn es ist wichtig, sich das ganze Bild zu machen. Auf Youtube gibt es jetzt eine leicht gekürzte Version, immer noch gut 189 Minuten lang.
Skuppin sagte, man habe nicht erkennen können, dass es sich bei der Passage um eine Rolle gehandelt habe, der Gag habe nicht funktioniert. Aber sind funktionierende Gags ein Kriterium?
Einmal mehr ist das Krisenmanagement bei der ARD ziemlich haarsträubend.
Skuppin entschuldigte sich übrigens auch im Namen von Schroeder und Somuncu. Letzterer aber hatte sich für nichts zu entschuldigen, so sagte er später.

Und zu Somuncu selbst: Ich mag seine Parodien nicht. Aber das liegt ja genau daran, weil er in diesen Parodien so ein Arsch ist. In diesen Parodien soll das aber so sein. Und natürlich zweifelt man auch manchmal, wie dieses und jenes nun gemeint ist. Ob er jetzt wirklich sexistischen Scheiß von sich gegeben hat, weil er das so denkt. Serdar Somuncu bietet keine leichte Unterhaltung. Man muss sich damit auseinandersetzen, und manchmal tut es weh, manchmal werden Grenzen überschritten.
Florian Schroeder hat diese Momente übrigens als das erkannt, was sie waren. Ganz böse Satire. Er sagte am Dienstagnachmittag bei radioeins, er habe nicht über den Inhalt der Parodien gelacht, sondern über die Performance an sich. So wirkte das auch im Podcast. Dass sich Schroeder inhaltlich damit nicht wohlfühlte, darum ging es im anschließenden Gespräch, und überhaupt drehten sich fast die ganzen drei Stunden ja genau über diese Gesellschaft, die immer wütender wird, immer widerlicher, immer böser. Das kann man nicht ausklammern, wenn man über die Sendung spricht.
Florian Schroder sagte bei radioeins auch, es sei nicht möglich, vor jeder Gesprächspassage mitzuteilen, ob es sich denn gerade um Satire, eine Parodie oder sonstwas handelt. Damit hat er recht.
Vielmehr müssen sich die Leute, die solche Ausschnitte in den Ring schmeißen, fragen lassen, was sie damit bezwecken wollen. Wobei die Antwort klar ist: Sie wollen für Aufwallungen sorgen, für Empörung. Dass man da auch mal absichtlich oder vorsätzlich oder wissentlich etwas missversteht, das wird hingenommen.
Diese Diskussionskultur kann nicht gut sein.

Florian Schroeder und Serdar Somuncu sollten allerdings auch drüber nachdenken, die Medienpartnerschaft mit radioeins sein zu lassen. Sechsmal ging es davor auch ohne Ausstrahlungspartner – warum nicht in Zukunft auch? Dann muss sich kein Programmchef mehr für irgendwas entschuldigen, dann müssen nur die beiden den Shitstorm aushalten. Zumal das Vertrauensverhältnis eh gestört sein dürfte. Und drei Stunden und 15 Minuten – ein bisschen kürzer darf es schon sein.

-> Die Stellungnahmen auf radioeins.de
-> Die (gekürzte) Sendung auf Youtube


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