mdr extra: Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten

MI 05.02.2020 | 12.35 Uhr | mdr-Fernsehen

Da waren sie aber alle überrascht. Die Moderatoren und Kommentatoren im „mdr extra“, aber auch der Mann, über den am Mittwochmittag alle sprachen: Nicht Bodo Ramelow von den Linken ist zum Ministerpräsidenten von Thüringen (wieder-)gewählt worden. Stattdessen hatte Thomas Kemmerich von der FDP plötzlich eine Mehrheit.
Showdown in Erfurt.

Eigentlich war man davon ausgegangen, dass in Erfurt im Landtag die rot-rot-grüne Minderheitsregierung an den Start geht. Wie das dann gehen sollte, war noch unklar. Es wurde jedoch ein Fehlstart, und die Art und Weise ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Um es mal relativ neutral auszudrücken.
Im ersten und zweiten Wahlgang erhielten weder Ramelow noch der AfD-Kandidat eine absolute Mehrheit.Im dritten Wahlgang stellte die FDP – mit 5,0 Prozent gerade so in den Landtag gewählt – plötzlich auch einen Kandidaten. Im mdr heißt es vor dem Wahlgang, dass die FDP das unter der Maßgabe gemacht habe, dass die AfD an ihrem Kandidaten festhalten würde.
Aber Pustekuchen! Die AfD hat alle anderen gehörig verarscht. Der AfD-Mann bekam plötzlich null Stimmen.

Als Thomas Kemmerich seine Stimmanzahl erfährt, sieht man es in der Aufnahme der mdr-Kamera sehr genau. Er stößt ein kurzes „Pff“ aus, und hinter ihm herrscht Entsetzen. Freude sieht anders aus. Kemmerich hat sich zur Wahl gestellt, dass er aber auch gewählt werden würde, war so offenbar nicht geplant gewesen. Ganz kurz schüttelt er den Kopf, und schon wird er gefragt, ob er die Wahl annimmt, und es vergehen keine fünf Minuten, da ist er auch schon vereidigt.

Dass die AfD genau das genau so vorgehabt hat, das gibt sie wenig später in einem mdr-Interview zu. Dass FDP und CDU den Plan hatten, Kemmerichs Kandidatur in den Ring zu werfen, kommt im Laufe des Tages auch raus – auch dass die Bundesparteien nicht begeistert waren und davon abrieten. Dass es ein gemeinsames und, wie es genannt wird, abgekartertes Spiel mit der AfD gab – das weiß man (noch?) nicht.

In den sozialen Medien ist die Spaltung perfekt. Die einen sehen eine „AfDP“, sie sagen, es habe sich eine Koalition von FDP, CDU und AfD gebildet. Die anderen feiern die Entscheidung als absolut demokratisch und freuen sich, dass die Kommunisten verhindert worden sind. Ein Dazwischen scheint es nicht zu geben.
Auch in den meisten Medien wird zuerst der „Dammbruch“ gesehen, dass die FDP sich mithilfe der AfD hat wählen lassen. Dass es vermutlich vor allem die AfD ist, die alle an der Nase herumgeführt haben könnten, spielt kaum eine Rolle.

Selten war Politik so spannend. Und so überraschend. Die Art und Weise ist jedoch extrem unappetitlich. Nicht auszudenken, wie die AfD reagiert hätte, wenn SPD oder Grüne oder gar die Linken so abgestimmt hätten wie sie. Stattdessen redet die AfD von einer bürgerlichen Mehrheit, die sich durchgesetzt habe. Was natürlich eine Lüge ist, denn die AfD – gerade die thüringische Höcke-AfD – ist nicht die bürgerliche Mitte und CDU-Wähler wollen sicherlich in sehr großer Mehrheit nicht gemeinsam mit der AfD bürgerlich genannt werden. Rechtsextreme und Faschisten sind nicht bürgerlich.
Sicherlich, der Wahlvorgang ist regelkonform, somit demokratisch. Aber dass hier einige suggerieren, es handele sich um einen Wählerwillen, dass ein Mann Ministerpräsident wurde, der gerade so in den Landtag gewählt worden ist, ist eine Farce.

Leider ging in der mdr-Live-Übertragung am Mittag ein weiterer denkwürdiger Augenblick völlig unter, weil er von der Kamera kaum erfasst worden ist. Statt ihm die Glückwunschhand zu geben, wirft die Landeschefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, dem neugewählten Ministerpräsidenten den Blumenstrauß vor die Füße. Im mdr wird man das erst sehr viel später sehen können.

-> Die Übertragung des mdr (via phoenix) auf Youtube


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert