Torsten Widua: Friede, Freude, Coming-out

Eine Kindheit in den 80ern. Eine Jugend in den 90ern. Und ein Coming out. Das ist nicht nur der erklärende Untertitel des Buches von Torsten Widua. Es sind auch die drei Zitaten für einen unterhaltsamen Roman. Aber leider ist es dem Autor nicht gelungen, diese Zutaten zu einem guten Gemisch zu machen. Im Gegenteil: Was den Aufbau der Geschichte angeht, ist die Mischung leider verkorkst und misslungen.

Tim und Lukas erleben ihre Kindheit und frühe Jugend in den 80ern. Ihre Eltern sind befreundet, lange sind sie Nachbarn. Sie verbringen viel Zeit miteinander. Sie lesen die Bravo, blättern im Quelle-Katalog und schauen die Kinderserien im Nachmittagsprogramm.
Und irgendwann stellen sie fest: Sie sind nicht nur die besten Freunde, sondern viel mehr. Aber wie sollen sie ihren Eltern und den Freunden sagen, dass sie ein Paar sind?

(Kritik mit Spoilern)
Sagen wir mal so: Nach 442 Seiten endet der Roman – es hätten aber locker 150 Seiten weniger sein können. So interessant die Story über Tim und Lukas ist, wie sie sich gefunden haben, was sie draus machen – der Autor hält sich mit erstaunlich vielen uninteressanten Nebensächlichkeiten auf.
Die Erinnerungen aus den 80ern zählt er mitunter völlig uninspiriert auf, es wirkt, als wollte er bestimmte Umstände aus den 80ern unbedingt in der Story haben, ohne zu wissen, wie er sie gut unterbringen kann. Immer wieder vergleicht er heutige Errungenschaften mit damals – nach dem Motto: Hach, wie schön das früher war. Das nervt recht schnell. Auch, weil es so einen Opa-haften Eindruck macht, wie wenn sich ein älterer Mensch über die Jugend von heute echauffiert.
Über viel zu weite Strecken wirkt die Geschichte wie ein Kindheitstagebuch, das aber leider höhepunktfrei bleibt. Über mehrere Kapitel berichtet er vom Familienurlaub, ohne dass da etwas Aufregendes oder Lustiges passiert – oder dem Autor gelingt es nicht, zum Kern vorzudringen oder eine Pointe herauszuarbeiten.
Wirklich ärgerlich sind zwei Punkte: An einer Stelle stirbt jemand, und weil Torsten Widua meinte, Spannung zu brauchen, verrät er seitenlang nicht, welche der Figuren aus dem Roman tot ist. Doch nicht etwa Lukas? Das ist einfach nur plump.
Ebenso ärgerlich sind die letzten Kapitel. Denn irgendwann wirft der Autor dem Leser hin, dass sich Tim und Lukas ja inzwischen getrennt haben. Und erst nach diesem Zeitsprung berichtet er dann wirklich über das Coming Out – in dem er die Eltern selbst erzählen lässt. Das ist für eine spannende Story wirklich kontraproduktiv. Als Leser fühlt man sich da auf den Arm genommen.
Es ist wirklich schade um die Geschichte. Aber hier stimmt leider nur sehr wenig. Der Aufbau des Romans stimmt hinten und vorne nichts. Da nutzt es nichts, wenn die Hauptfiguren im Roman durchaus sympathisch sind und ihre Geschichte außergewöhnlich.

Torsten Widua: Friede, Freude, Coming-out
Kampenwand Verlag, 442 Seiten
4/10


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