Breitscheidplatz – Fünf Jahre danach

Am 19. Dezember 2016 haben wir gegen 19.40 Uhr den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz in Richtung Kurfürstendamm verlassen. 20 Minuten später raste ein Lkw auf das Gelände. Tote und Verletzte. Und viele Wunden.

Am 19. Dezember 2021, fünf Jahre danach, fahre ich gegen 19.30 Uhr wieder ins Parkhaus am Bahnhof Zoo. Laufe wieder in Richtung des Weihnachtsmarktes. Ich möchte das Gedenken in irgendeiner Art miterleben, auch den Glockenschlag der Gedächtniskirche nach 20 Uhr. Mal kurz innehalten.

Doch das ist gar nicht so einfach. Denn die Berliner sind zu diesem Gedenken nicht erwünscht. Das könnte mit der Pandemie zu tun haben, aber auch mit Sicherheitsbedenken. Krass ist es dennoch. Denn nicht nur der Weihnachtsmarkt ist gesperrt, sondern auch die Hardenbergstraße plus Gehweg am Bikini. Man möchte nicht, dass irgendwelche Leute auf der Straße sind, wenn ranghohe Politiker vor der Kirche stehen.

Und so bleibt mir und einigen anderen Passanten nur die entfernte Position zwischen U-Bahn-Eingang und Bikini-Center mit Blick auf die Kirche. Dass man nicht mal die Straße für Passanten frei ließ, ist schade und scheint mir auch übertrieben.
Andererseits gab es an der Sperre ein bis zwei grantige Typen, die lautstark mit Polizisten diskutierten – über das Unglück, die Flüchtlinge und die Polizei. Wie respektlos das zu dieser Stunde war, kam diesen Menschen scheinbar gar nicht in den Sinn.

Ich rief unterdessen einen Livestream im Internet auf, um etwas vom Gottesdienst in der Kirche und der Zeremonie davor mitzubekommen.
Um kurz nach 20 Uhr gab es dann von der Kirche genau 13 Glockenschläge – so viele Todesopfer hatte der Anschlag 2016 gekostet. Das bislang letzte starb erst vor wenigen Wochen.

Als die Zeremonie durch war, standen plötzlich einige Passanten mehr um uns herum. Männer und Frauen mit Knopf im Ohr – ziemlich sicher waren das Sicherheitsleute. Denn gleich würden die Politiker an uns vorbeifahren. Vermutlich versammelten sich die Sicherheitsleute um uns, weil einer der diskutierenden Typen nun ganz in unserer Nähe stand und brabbelnd irgendwas filmte. Er brubbelte auch, als dann die erste Limousine an uns vorbeifuhr – die reichen Politiker und so weiter.

Nach der Zeremonie ging das Leben auf dem Weihnachtsmarkt weiter – zumindest auf den Abschnitten außerhalb der Zeremonie-Zone. Inzwischen ist das Gelände auch eingezäunt, und es gilt 2G und Ausweis zeigen. Ich gönnte mir ein wenig zu essen und zu trinken – um danach auch noch mal zu den Stufen zu laufen, auf dem die Kränze und Blumen abgelegt worden sind. Dazu Fotos und Kerzen. Immer, wenn ich dort auf dem Weihnachtsmarkt bin, bleibe ich an diesem Denkmal kurz stehen.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert