DO 04.11.2021 | 23.30 Uhr | WDR
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
Dieser Satz wird dem Journalisten und „Tagesthemen“-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs zu geschrieben. Er wird gern heutigen Journalisten von besserwissenden Facebook-Kommentierern um die Ohren gehauen. Und er steht auch ganz oben auf der Webseite des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises.
Am Donnerstagabend wurde dieser Preis mal wieder übergeben. Der WDR übertrug die Preisvergabe.
Blöd nur: So ganz genau hat Friedrichs das gar nicht gesagt.
Einerseits sagte Friedrichs kurz vor seinem Tod 1995 dem „Spiegel“: „Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“
Es gehe also eher darum, als Überbringer einer Katastrophennachricht ruhig und neutral zu bleiben. Was es nicht bedeutet: Keine Haltung dazu zu haben.
Und andererseits: Das Zitat, das mit Friedrichs verbunden wird, stand auf dem Buchrücken seiner Autobiografie. Allerdings hat er dieses Zitat im Buch selbst gar nicht gesagt. Vielmehr berichtet er im Buch vom BBC-Mann Charles Wheeler. Der habe gesagt, dass ein „seriöser Journalist“ Distanz zum Gegenstand seiner Betrachtung halte und sich „nicht gemein“ mache mit einer Sache – auch nicht mit einer „guten Sache“. Es ist also ein Zitat von Wheeler, nicht von Friedrichs. Weil es aber gut klang, hat es der Verlag hintern drauf gedruckt und den Eindruck erweckt, es handele sich um en Friedrichs-Zitat.
Die Kollegen von Übermedien haben das ausführlich auseinander genommen.
Dass sich die Leute vom Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis trotzdem darauf berufen, ist merkwürdig. Zudem man dann fragen muss, ob alle Ausgezeichneten überhaupt gute Journalisten seien.
Ein Preis ging an ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf. Für das „Auslandsjournal“ berichtete sie über Frauen in Afghanistan, es ging um die Rechte der Frauen. Die Journalisten hatte ein Anliegen – aber machte sie sich auch mit der Sache gemein?
Und stimmt der Friedrichs-Satz überhaupt? Sollte es nicht immer ein Anliegen sein, Menschenrechte zu schützen – und vor allem die Demokratie? Wenn es darum geht, über die Aktivitäten von Neonazis zu berichten, dann haben diese Beiträge natürlich ein Anliegen: Wehret den Anfängen, schützt unsere Demokratie! Etwas, womit sich gute Journalisten gemein machen müssen. Genau wie es ein Anliegen sein sollte, die Menschen dazu zu bringen, sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Egal sein sollte Journalisten nicht, was sie da tun.
Wenn also immer mit diesem Satz um sich geworfen wird, dann steckt was Wahres drin – so ganz richtig ist er aber keinesfalls. Von den Problemen rund um das Zitat selbst mal ganz abgesehen.
-> Die Sendung in der ARD-Mediathek (bis 4. November 2022)
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