Plötzlich ausgebürgert

Constanze Barz lebt in Linumhorst – ihr Grundstück befindet sich teilweise auf Kremmener und Fehrbelliner Gebiet – Einwohnermeldeamt will nun Fakten schaffen

MAZ Oranienburg, 7.10.2021

Linumhorst.
Eigentlich ging Constanze Barz vier Jahre lang davon aus, Kremmener Bürgerin zu sein. Doch nun bekam sie ein Schreiben vom Ordnungsamt. „Aufforderung zur Erfüllung der Meldepflicht“, heißt es da. Und: „Kommen Sie bitte unverzüglich Ihrer Meldepflicht nach.“ Das klingt, als habe sich Constanze Barz ein schweres Versäumnis geleistet.
Seit vier Jahren ist sie Mieterin des Hauses am Ende der Linumhorster Straße, noch nach dem Ortsausgangsschild in Richtung des Alten Rhins. Ihre Adresse lautet: Kremmen, Linumhorster Straße. Nun wurde jedoch festgestellt: Das Grundstück liegt auf Fehrbelliner, genauer auf Linumer Gebiet.

Blickt man auf die genaue Gemeinde- und Kreisgrenze wird klar: Wenn Constanze Barz ihre Grundstückseinfahrt betritt, dann befindet sie sich noch in Kremmen, genauer in Linumhorst, Landkreis Oberhavel. Bewegt sie sich in Richtung des Hauses, dann überschreitet sie die Grenze und ist in Fehrbellin, in Linum, Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Klingt kompliziert? Ist es auch! Denn einerseits ist das Problem der Zuständigkeiten nicht neu, aber offenbar nie geregelt worden. Aber grundsätzlich hat man sich in Kremmen und auch in der Kreisverwaltung in Oberhavel für den Hof und das Haus zuständig gefühlt.
Besitzer Markus Baluska zahlt die Grundsteuern tatsächlich in Fehrbellin. Im Grundbuch steht zur Örtlichkeit „Linum, Ortsteil Linumhorst“. Das Haus ist bereits in den 40er-Jahren gebaut worden, als der neue Besitzer es 2001 sanieren wollte, musste er eine Baugenehmigung beantragen – am 25. September 2001 kam eine entsprechende Bestätigung aus Oranienburg mit dem Grundstücksvermerk „Kremmen, Dorfstraße“ – so hieß die Linumhorster Straße damals noch. Dass das Grundstück gar nicht mehr oder größtenteils nicht in Oberhavel liegt, scheint nicht aufgefallen zu sein. Die Abfallentsorgung wird ebenso von Kremmen abgewickelt wie die Wasserversorgung. Alle Autos und Versicherungen laufen in Oberhavel. Gewählt wird auch in Kremmen. Die Verkehrsanbindung erfolgt auch über Kremmener Gebiet – vor allem, seit die Brücke über den Alten Rhin für den Autoverkehr gesperrt ist. Als Constanze Barz 2017 nach Linumhorst zog, bekam sie ein entsprechendes Schreiben vom Einwohnermeldeamt – in Kremmen. „Ich weiß nicht, was wir jetzt tun sollen“, sagte Constanze Barz. Verschärft oder noch mal ans Licht gebracht hat die unklare Sachlage der geplante Ausbau des Glasfasernetzes. Der soll nämlich auch Linumhorst erreichen – aber nicht das Grundstück, auf dem Constanze Barz wohnt. Weil es ja nicht mehr zu Kremmen gehöre. Die Förderrichtlinie gilt nur für Oberhavel – und Oberhavel endet kurz vorm Haus. Wie sie erzählte, gab es auf eine entsprechende Anfrage eine Absage.

Das Fass zum Überlaufen brachte das „Ausbürgerungsschreiben“ aus dem Einwohnermeldeamt in der vergangenen Woche. „Das Schreiben ist eine Frechheit“, sagt Constanze Barz. Vor allem der Tonfall. „Ich habe keine Ahnung, was uns das Amt mit diesem Schreiben sagen will.“ Aber es wirke, als habe sie etwas falsch gemacht. „Das Amt hat mich doch 2017 aufgenommen.“
Kremmens Bürgermeister Sebastian Busse (CDU) sagte am Mittwoch auf MAZ-Nachfrage, dass er den Text des Anschreibens bedauere. „Dafür haben wir uns entschuldigt.“ Allerdings nicht bei Constanze Barz, sondern nur beim Besitzer Markus Baluska – und auch das scheinbar nur auf Drängen und Nachfragen des Hofbesitzers. Sebastian Busse sagte außerdem, dass der Fehler wohl vor 20 Jahren passiert sei, als die Baugenehmigung für die Sanierung bearbeitet worden war. „Der Kreis war für das Haus gar nicht zuständig.“ Fest stünde, dass die Bewohner des betroffenen Grundstückes nicht in Kremmen, sondern in der Gemarkung Fehrbellin wohnen.
Dass niemandem aufgefallen ist, dass zwar Grundsteuern in Fehrbellin bezahlt werden, die Leute aber in Kremmen gemeldet sind, ist verwunderlich. Das sei möglich, so Busse, weil verschiedene Abteilungen dafür zuständig seien. „Man muss jetzt schauen, wie man ihnen helfen kann.“ Er habe Kontakt mit der Gemeindeverwaltung in Fehrbellin aufgenommen. „Wir wollen klären, wie wir damit umgehen.“ Möglich sei auch ein Gebietstausch – das aber dauere.

Geht es nach Constanze Barz, dann bleibt alles, wie es ist. Zumal sich die Grundstückseinfahrt auf Oberhavel-Gebiet befindet. In Thüringen, wo sie herkomme, sei das der ausschlaggebende Aspekt. Denn die Frage ist: Wer bezahlt ihr das alles? Ausweise, Auto-Anmeldungen, Versicherungen – so viel hängt an einer Ummeldung für die sie gar nichts kann.


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