Die Kanzler-Nacht

SO 22.08.2021 | 19.30 Uhr | Bild

Bei Bild sind sich die Bild-Leute einig. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich besser präsentiert als Olaf Scholz von der SPD. In der Nachbetrachtung der Kanzler-Nacht am Sonntagabend, in der beim nun auch offiziellen Fernsehsender Bild erst Armin Laschet und dann Olaf Scholz interviewt wurden, sprachen fünf Journalisten – wie gesagt: drei davon von der Bild selbst – über das Fernduell.

„Bild Live“-Chef Claus Strunz sieht Olaf Scholz in einem Schlafwagen sitzen, während Armin Laschet aus seiner Sicht durchstarten würde. Der ehemalige „stern“-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges scheint eine andere Sendung gesehen zu haben, denn aus seiner Sicht hatte Laschet das Duell verloren. Woraufhin „Bild“-Zeitungschef Julian Reichelt auch noch mal bekräftigte, wie gut sich Laschet doch präsentierte.

Es war ein Coup: Am ersten Sendetag des Fernsehsenders der Bild fand „Die Kanzler-Nacht“ statt. Nach einer Vorberichterstattung sprach Paul Ronzheimer erst mit Armin Laschet, dann Kai Wiese mit Olaf Scholz.
Eines ist in diesen Gesprächen sehr schnell klar geworden: Der Ton wird rauer. Denn die Befrager von der Bild können sich auch schon mal an einem Thema festbeißen. Wenn sie aus den Gästen eine Antwort rausquetschen wollen, die sie unbedingt hören wollen, dann haken sie nach und haken nach und haken nach.

Kai Wiese wollte von Olaf Scholz angesichts steigender Umfragewerte wissen, ob das Aussitzen von Problemen Scholz‘ Masche sei. Scholz wandte sich raus, dass es sich nicht um ein Aussitzen handele, aber Kai Wiese wirkte, als habe er Scholz gar nicht gehört und sprach unbeirrt vom Aussitzen, immer wieder. Es wirkte, als warte Wiese darauf, dass Scholz aus Genervtheit irgendwas sagt, was er nicht sagen wollte, um es dann publizieren zu können.
Das ist die Bild-Masche: Beim harten Nachfragen scheint es darum zu gehen, die Gäste nervös zu machen, sie zu irritieren, sie zu nerven, sie in eine Rolle zu drücken.
Es ist eine Kunst, da ruhig zu bleiben, und Olaf Scholz ist das erstaunlich gut gelungen. Mitunter lächelte er auch und meinte, dass man ihm wohl jetzt was in den Mund legen wolle – womit ihm eindeutig was Richtiges aufgefallen war.

Paul Ronzheimer hatte zuvor Armin Laschet einen Ball vor den Fuß gelegt. Laschet dürfe Scholz eine Frage stellen, und der wollte wissen, ob Scholz ausschließen könne, mit der SPD eine Koalition mit den Linken einzugehen.Olaf Scholz wurde damit in eine Zwickmühle gebracht, und man merkte, dass die Situation unangenehm ist. Er versuchte, die Antwort zu umgehen, aber Moderator Kai Wiese ließ das nicht zu. Frage immer wieder. Immer wieder. Was ist nun mit den Linken. Er ließ nicht nach. Was Olaf Scholz ihm sagte, reichte ihm nicht. Scholz sagte nicht definitiv, dass es keine Linke-Koalition gebe, stattdessen sagte er, was eine Regierung leisten und wofür sie sich bekennen solle. Für CDU-Anhänger ein gefundes Fressen, und auch für die Bild.

Der Interview-Stil bei Bild ist deutlich aggressiver als in anderen Talkshows. Das kann man mögen und ablehnen. Interessant ist es aber dennoch, zu sehen, wie die Interviewten darauf reagieren, wie sie damit klarkommen, ob sie aus dem Takt gebracht werden oder gelassen bleiben.
Man kann das volksnah finden – weil Bild mit diesem Fragestil oft die Haltung ihrer Klientel einnimmt -, man kann das auch anstrengend, unangenehm und manipulierend finden. Die Sendung besetzt aber durchaus eine Nische, die es so nur selten in den deutschen Medien gibt.


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