Lutz Seiler: Stern 111

1989, Mauerfall. Man könnte meinen, dass für die Menschen in der DDR damit alles besser sein würde. Aber in diesem November 1989 herrscht viel zu wenig Klarheit über das, was da kommen könnte oder auch nicht.
Inge und Walter Bischoff verlassen zwei Tage nach dem Mauerfall ihr Haus in Gera, um in den Westen überzusiedeln. Sie geben fast alles auf, nehmen nur mit, was sie tragen können. Sie wissen, dass ihnen nun eine Zeit in Übersiedlerheimen bevorsteht. Aber sie haben einen Traum, und den wollen sie nun umsetzen.
Carl, um die 20, bleibt zu Hause in Gera. Zuerst kann er mit sich und dem leeren Haus nichts anfangen. Deshalb macht er sich mit dem Shiguli (eigentlich sagte man in der DDR eher Lada) auf nach Berlin.
Erst lebt er auf der Straße – oder besser: im Shiguli. Dann lernt er aber eine Gruppe junger Leute kennen, die ihn in ihr „Rudel“ aufnehmen. Er erlebt den Kampf in Ost-Berlin um leerstehende Häuser mit, jobbt in einer runtergekommenen Kneipe und baut sich ein ganz neues Leben auf.
Von seiner Mutter bekommt er unterdessen immer wieder Briefe mit Updates ihres Lebens in Westdeutschland – dass er Gera verlassen hat, wissen sie nicht…

Für seinen Roman „Stern 111“ – benannt nach einem DDR-Radiogerät, das im Laufe der Geschichte eine Rolle spielt – bekam der Autor Lutz Seiler den Preis der Leipziger Buchmesse 2020. Das Buch wird als der „neue große Roman zur Nachwendezeit“ betitelt.
Und in der Tat erzählt Seiler eine interessante Geschichte aus der DDR der Jahre 1989/90. Es geht um die Unsicherheiten der neuen Zeit, um die anarchischen Momente und Handlungen, um den Untergrund im Prenzlauer Berg. Und wenn man sich als Leser fragt, was eigentlich die Bischoffs in den Westen zieht, so wird er recht lange warten müssen – denn es gibt die Auflösung dieser Geschichte ziemlich am Ende des Romans.
So richtig fesselnd ist der Roman – trotz des interessanten Themas – jedoch nicht. Dazu ist Seilers Schreibe nicht packend genug. Zumal einige Fragen scheinbar offen bleiben: Denn Carl verlässt Gera, aber die Frage, was eigentlich aus dem Haus wird, ist offenbar nicht so richtig ein Thema.

Lutz Seiler: Stern 111
Suhrkamp, 528 Seiten
6/10


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