Ingo Schulze: Die rechtschaffenden Mörder

Ein aufrechter Büchermensch wird zum Reaktionär. Vielleicht auch zum Revoluzzer.
Ein idealer Stoff für eine literarisch-politische Debatte.
Also, ähm, nein.
Wie der S.Fischer-Verlag den Roman von Ingo Schulze promotet, ist spannend. Denn der Text, der hinten auf dem Buch steht, hat mit dem Inhalt des Romans erstaunlich wenig zu tun. Er führt genau genommen in die Irre und ist fast schon Etikettenschwindel.

Norbert Paulini hat sich schon immer für Bücher interessiert. Vor allem für alte Bücher. Als er zur Armee muss, arbeitet er in der Regimentsbuchhandlung. Später beginnt er eine Lehre, ebenfalls in einem Buchladen. Und schließlich kann er in Dresden ein Antiquariat eröffnen – und wird damit in der Kennerszene recht bald bekannt. Zu ihm kommen Menschen, die auch alte Bücher lieben, und immer hält er Ausschau nach neuen alten Werken.
Die Wende nimmt er erst nicht ernst – aber schnell merkt, dass es für ihn schwierig werden könnte, denn wer will noch alte Bücher?

„Die rechtschaffenden Mörder“ heißt der Roman von Ingo Schulze, und die Frage lautet: Wen meint er? Sind es die Leute, die sein Antiquariat zum Scheitern bringen?
Der Verlag macht den Eindruck, als gebe es in Paulinis Leben eine dramatische Wende, ein Büchermensch werde zum Täter, er sei an einem fremdenfeindlichen Anschlag beteiligt gewesen.
Irritierenderweise ist das aber im Roman gar nicht das zentrale Thema. Vielmehr wird im ersten Teil Paulinis Leben erzählt, das später in der Tat einem Wandel vollzogen ist. Aber eigentlich erzählt Schulze die Nachwendezeit eher lapidar und gelangweilt. Wie ein Büchermensch zum Revoluzzer wird, erfahren wir nicht – oder ich muss den Absatz überlesen haben.
Im zweiten Teil berichtet – wie aus dem Nichts – plötzlich ein fiktiver Autor, der sich am Ende mit Paulini streitet, und im dritten Teil erzählt eine Verlagsfrau über Paulinis Ende. Aber auch eher runtererzählt und selten uninspiriert.
Dieser Roman liefert ganz gewiss keinen Stoff für eine politische Debatte. Sicherlich berichtet er vom Umgang mit alten Werken, aber es eine Debatte? Wüsste nicht worüber.
Die Buchwerbung machte den Eindruck, als würde sie die Geschichte eines enttäuschten Ex-DDR-Bürgers erzählen, der sich radikalisiert. Irgendwie ist das so, aber warum das geschieht, warum plötzlich dieser letzte Schritt – den es im Buch nicht wirklich gibt – geschieht, ist völlig unklar.
Der Roman ist gerade am Anfang noch sehr wirr aufgeschrieben. Die Faszination kommt erst, als Paulini sich als junger Erwachsener mit Büchern befasst. Die letzten zwei Teile des Romans reißen aber jegliche Faszination wieder ein. Wirklich schade.

Ingo Schulze: Die rechtschaffenden Mörder
S.Fischer, 320 Seiten
5/10


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