Wir Kinder vom Bahnhof Zoo

SA 27.02.2021 | Amazon Prime Video

1978 schockte das Magazin „stern“ die (West-)Deutschen mit der Geschichte von Christiane F. In einer 12-teiligen Serie wurde im Magazin geschildert, wie das Mädchen in die Drogenszene rund um den Bahnhof Zoo in West-Berlin geraten ist. Im Herbst desselben Jahres erschien der biografische Bericht als Buch: „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. 1981 kam der Film, der die Geschichte erzählt.
Das Buch wurde Pflichtlektüre in der Schule, der Film stand schnell dafür, welche grauenvolle Folgen der Konsum von Drogen haben kann.
2021 kam das Remake: Auf Amazon Prime Video gibt es die 8-teilige deutsche Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Die Geschichte ist bekannt. Christiane hat zu Hause mehr und mehr Probleme. Die Familie lebt in einer Hochhaussiedlung, die Unzufriedenheit ist groß. Als der Vater beginnt, seine Frau zu schlagen, eskaliert die Lage – Christiane sucht in der Disco „Sound“ nach Zerstreuung. Durch ihre Freunde gerät sie mehr und mehr in einen Drogensumpf.
So geht es am Ende ihrer ganzen Clique mit Stella, Axel, Benno, Babsi und Michi. Benno wird Christianes Frund, muss aber anschaffen gehen. Babsi braucht Geld für die Drogen und lässt sich auf einen älteren Herren ein. Axel schafft zwar seine Lehre, kann sich den Drogen aber nicht entziehen.

Ohne Frage, „Wir sind vom Bahnhof Zoo“ ist modernes, grundsätzlich erstmal sehenswertes Serienfutter. Es dauert ein bisschen, bis die Drogenproblematik wirklich in den Vordergrund tritt. Dabei schafft die Serie durchaus eine Identifikation mit den Figuren. Eine gewisse Spannung sorgt dafür, dass man wissen will, wie es weiter geht.
Allerdings muss sich die Serie den Vergleich mit dem Film durchaus gefallen lassen, aber auch unabhängig davon gibt es Kritikpunkte.

Grundsätzlich ist die Serie jedoch sehr weichgespült. Sie traut sich zu wenig. Sie schockiert kaum. Sicherlich, es wird gezeigt, was Drogen anrichten. Auch die verschiedenen Arten der Drogen werden gezeigt. Die Hochstimmung und der tiefe Stimmungsfall. Aber wirklich hart zur Sache geht es nicht. Nicht wegen der Sensation, sondern weil die Serie erstaunlich selten den Eindruck macht, dass es sich beim Gezeigten wirklich um ein großes Problem handele. Das West-Berlin am Bahnhof Zoo wirkt erstaunlich sauber. Das alte Berlin war viel dreckiger, abgerockter, und gerade die düstere, triste Atmosphäre der Hinterseite des Bahnhofs Zoo erschließt sich in der Serie überhaupt nicht. Das Setting ist zu sauber, wie aber auch die Darsteller. Alles wirkt immer noch glatt und harmlos. Die Discothek „Sound“ wirkt ein ein relativ moderner Club und nicht wie ein verrauchte, enge, dreckige Disco. Während der Film Erschütterung und einen gewissen Ekel auslöste, bleibt das in der Serie aus.
Dass die Serie Mitte/Ende der 70er spielen soll, ist nicht immer glaubhaft. Die Frage ist sowieso, ob es nicht interessanter gewesen wäre, die Geschichte ins Jetzt zu bringen. Zu schauen, wie das heute funktioniert.

Bei längerem Hinschauen ist auch der Cast nicht gut ausgewählt. Alle spielen gut, einige sehr gut. Jana McKinnon spielt Christiane, Michelangelo Fortuzzi ihren Freund Benno. Aber die Jugendlichen sind durchweg viel zu alt. Sie sollen 12-Jährige darstellen, höchstens 14 sollen sie sein. Die Darsteller sind viel älter. Es war ja gerade das Schockierende an der Geschichte, dass sie so jung waren – Stichwort: Babystrich. Christianes Vater dagegen wirkt zu jung, so dass man sich fragt, ob die Geschwister sind.

So bleibt am Ende einerseits das Gefühl, eine Serie gesehen zu haben, die auf verschiedene Weise unterhaltend ist. Aber eben auch der schale Eindruck, dass die Umsetzung dann doch halbherzig war.

-> Die Serie und Trailer auf Amazon Prime Video


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert