Unterricht in der Pandemie: ein Kraftakt

Lehrende der Kremmener Goethe-Grundschule berichten darüber, wie sie derzeit arbeiten

MAZ Oberhavel, 13.1.2021

Kremmen.
Unterricht, so wie wir ihn kennen, ist derzeit hierzulande nicht möglich. Was aber nicht heißt, dass kein Unterricht stattfindet. „Wir versuchen unser Bestes zu geben“, sagt Annette Borchert. Die Leiterin der Kremmener Goethe-Grundschule managt gemeinsam mit ihrem Team den Distanzunterricht. „Alle sind total fleißig, auch wenn es alles sehr anstrengend ist“, sagt sie. Und zeitaufwändig. Das ist eine Erkenntnis aus den Aussagen vieler Lehrenden der Schule.

Eric Haupt kümmert sich in der Schule darum, dass die Cloud funktioniert, über die derzeit in den Klassen vier bis sechs gelernt wird. „Das ist die digitale Lernplattform, auf der Lehrer und Schüler in Kontakt treten“, erzählt der 32-Jährige. Das System sei noch nicht ganz optimiert, „aber ich bin momentan ganz zufrieden.“ Es gebe jedoch immer wieder kleine Probleme. „Es ist das Wunschdenken vieler, dass man mit dem Finger schnippt und alles ist gut.“ Er selbst gibt in der 4. Klasse Englisch. In zwei der drei Wochenstunden werden Aufgaben eingestellt, in der dritten gibt es eine Videostunde. „Die Kinder ziehen erstaunlich gut mit“, sagt Eric Haupt. „Mein Gefühl ist, dass wir auf diese Weise 80 bis 90 Prozent des normalen Unterrichts schaffen.“ Die Aufgaben werden um 7 Uhr freigeschaltet, die Ergebnisse müssen jeden Tag an ihn geschickt werden. „Zeitlich ist das ein großer Mehraufwand“, sagt der Lehrer. Er kommt auf 100 bis 120 Korrekturen. Am Tag. Und um 22 Uhr wird schon mal die letzte Mail verschickt. „Die digitale Vernetzung ist schön, aber auch eine Bürde“, sagt er.

Martina Bertram ist Klassenlehrerin in der 5b. Morgens um 7.30 Uhr beginnt sie, erste Mails zu bearbeiten. Um 8.30 Uhr beginnt die Videokonferenz mit ihrer Klasse. „Da besprechen wir Fragen, Probleme und Aufgaben.“ Danach arbeiten die Kinder weiter, und auch sie selbst arbeitet ihre To-do-Liste ab. „Es kommen aber auch viele Anfragen von den Kindern per Mail, und auch von Kollegen oder der Schulleitung.“ So ziehen sich Aufgaben, die zwei bis drei Stunden dauern würden, viel länger hin. Es komme vor, dass bis Mitternacht gearbeitet werde. Sie wolle für alle da sein, mit ihrem privaten Handy telefoniert sie mit den Kindern und den Eltern.
„Wenn ich die Kinder morgens in der Videokonferenz sehe, dann merke ich, wie sie mich anstrahlen. Sie brauchen die menschlichen Gesichter, Nähe und Austausch. Den Kindern fehlt was.“ Und sie selbst? „Das macht was mit einem“, sagt Martina Bertram. Auch am Sonnabend und Sonntag werde schon mal neun Stunden durchgearbeitet. Neulich nahm sie sich die Zeit, um 16 Uhr mal eine Stunde spazieren zu gehen. „Das hat sich wie Schwänzen angefühlt, obwohl um die Zeit der Arbeitstag eigentlich vorbei ist.“ Insbesondere vom Bildungsministerium wünscht sie sich mehr Rücksicht – Theorie und Praxis würden da oft nicht übereinstimmen. „Ich glaube, dass man uns mehr vertrauen sollte.“

Katharina Förste unterrichtet die ganz Kleinen – und das geht nicht über die Cloud. Stattdessen schickt sie täglich eine Mail mit Aufgaben. Die Eltern schicken ihr dann die Ergebnisse. Ziel sei es dennoch, jeden Tag einmal mit den Kindern zu kommunizieren. „Ich ziehe den Hut vor den Eltern“, sagt Katharina Förste. In den unteren Klassenstufen seien die noch viel mehr gefragt als bei den älteren Grundschülern, die zur Not auch schon alleine den Distanzunterricht bestreiten können. Für die Buchstabenkunde und die Zahlen eins bis 20 in Mathematik bekommen die Erstklässler-Kinder zur Unterstützung Videos geschickt. „Eltern und Kinder geben ihr Bestes“, sagt die Lehrerin.

Kristin Goliasch unterrichtet die Kinder vor allem im Videostream, zum Beispiel im Mathematik-Unterricht in der 6. Klasse. „Im März habe ich dafür noch Videos aufgenommen“, erzählt sie. „Aber das war sehr zeitintensiv. Mit dem Stream erreiche ich jetzt auch alle Schüler.“ Sie selbst ist für diese Live-Übertragungen in der Schule. „Hier habe ich das Smartboard, kann thematisch hin- und herspringen, kann auch Experimente zeigen.“ Das sei tatsächlich ähnlich wie im Unterricht. Sie selbst ist als einzige zu sehen, die Schüler schalten sich per Ton nur dazu, wenn sie eine Frage stellen wollen. Vorteil bei Aufgaben: „Sonst kann ich im Unterricht nur einen drannehmen, hier können sie im Chat alle die Lösungen reinschreiben.“ Insgesamt laufe es besser als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Aber auch sie überlegt, „wo ich zurückschrauben kann“, sagt sie. Das Arbeitspensum sei enorm.

Melanie Kunert kümmert sich um die Kinder in der Notbetreuung vor Ort. „Die arbeiten genauso wie die Kinder zu Hause“, sagt sie. Die Kinder ab Klasse 4 rufen auch in der Betreuung die Schulcloud auf. Es seien Kinder, deren systemrelevante Eltern nicht zu Hause sein können, aber auch die, von denen es eventuell zu wenige Rückmeldungen gegeben habe. Kein Kind soll zurückbleiben. Aber auch Melanie Kunert muss sich zusätzlich zur Notbetreuung um Unterrichtsvorbereitungen und Aufgabenkontrollen kümmern. Hinzu komme: „Die Cloud arbeitet oft nicht gut.“ Oft sitze sie am Nachmittag davor und warte einfach nur.

„Es ist nicht einfach, eine Schule zu leiten, in denen die Lehrkräfte nicht alle vor Ort sind“, sagt Rektorin Annette Borchert. „Absprachen, Beratungen, Problembearbeitungen und Lösungsfindungen können nicht wie gewohnt stattfinden, einmal wöchentlich finden wir uns zur Videokonferenz zusammen.“ Sie ist auch dankbar, dass viele Horterzieher in der aktuellen Situation helfen. Klar ist: Die schulische Situation ist für alle Beteiligten riesengroßer Kraftakt.


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