Coronavirus in Schweden: Vom Leben mit dem Sonderweg

Der Oranienburger Marcus Berndt (40) lebt in der Kleinstadt Mora in der Mitte des skandinavischen Landes – mit gemischten Gefühlen sieht er die jetzige Lage

Oranienburg.
In Zeiten der Coronakrise blicken viele Menschen nach Schweden. Dort gab es sei Mitte März sehr viel weniger Einschränkungen im öffentlichen Leben als in Deutschland. Einer, der das alles hautnah miterlebt, ist Marcus Berndt. Der 40-Jährige ist in Oranienburg groß geworden, er hat am Louise-Henriette-Gymnasium sein Abitur gemacht. Seit fast 13 Jahren lebt er in Mora, das ist eine kleine Stadt in der Mitte von Schweden. Er arbeitet dort für eine Agentur, die unter anderem Sportevents durchführt.

Dass Schweden einen anderen Weg gehe als die meisten anderen Länder, sei dort aber auch nicht unumstritten. Deshalb sei seine Stimmung auch gespalten, er verfolge ja auch deutsche Medien und sehe die Unterschiede. „Im Alltagsleben sind die Sachen nicht so super unterschiedlich“, erzählt er. „Drumherum ist das Regelwerk vielleicht ein bisschen anders.“ In Deutschland gebe es mehr Verbote, bei ihm in Schweden gebe es mehr Gebote und „starke Empfehlungen“. Es sei auch ein größerer Unterschied, ob man in der Großstadt wie Stockholm sei oder bei ihm in der eher ländlichen Gegend. Social Distancing sei dort schon an sich möglich. Aber es sei schon ein Unterschied gewesen, wenn er mit Freunden in Deutschland gesprochen habe, die zu Hause gewesen seien und wo die Kinder nicht in der Schule waren. „Hier in Schweden gehen wir in Schwimmhallen, zu Kindergeburtstagen, in die Schule, zur Arbeit, alles wie gehabt. Das fühlt sich schon ein bisschen komisch an, das richtig zu verstehen.“ Man dachte zum Anfang, dass Corona vielleicht nicht so gefährlich sei. Das passe aber gar nicht zu den Statistiken, so Marcus Berndt weiter. Es sei aber schwierig zu vermitteln, wenn viele Dinge des täglichen Lebens einfach so weitergehen können.
Man höre andererseits Todeszahlen, man höre, dass Altenheime vom Virus befallen seien, man höre verschiedenste Nachrichten. „Und alle pochen darauf, dass man seine Vernunft zurate zieht. „Aber das Leben im Allgemeinen ging relativ unverändert weiter.“

Es sei aber auch so, dass die Arbeitgeber deutlich dazu geraten haben, dass man zu Hause arbeiten könne, das sei mit den technischen Voraussetzungen einfach gewesen. Die Sportaktivitäten der Kinder seien jedoch eingestellt worden, gerade die Sportarten in den Hallen. Für die älteren Kinder habe eine längere Schulpause gegolten, die jüngeren seien aber weiter zur Schule gegangen. „Die schwedischen Behörden haben ganz deutlich das Ziel gehabt, dass die sagen: Leute, die nicht krank sind oder nicht zur Risikogruppe gehören, die sollen verhältnismäßig normal arbeiten können.“
Er selbst habe zu Hause gearbeitet. Er sei auf Kurzarbeit. Er arbeitet auf 60 Prozent, bei 94 Prozent Gehalt. Kündigungen habe es nicht gegeben. Man habe sich schon eingeschränkt, viel weniger Freunde getroffen, man treffe sich mehr draußen zum Spaziergang. Man sollte momentan nicht reisen. „Aber vieles sind Empfehlungen, und mein Gefühl ist, dass sich praktisch alle daran halten.“ Die Älteren bleiben zu Hause, viele kaufen für Ältere ein. „Machen wir auch.“

Anfangs sei man auch in Schweden unsicher gewesen. Man wusste nicht, ob man zu weich vorgehe, und es fange jetzt auch dort an, lascher zu werden. Es gebe aber Stimmen, die sagen, dass verschiedene Wirtschaftsbereiche stärker unterstützt werden müssten. Ihm selbst ist anfangs auch mulmig gewesen, er fand den Weg riskant, gerade in der Großstadt. Bis Dienstag gab es in Schweden knapp 35 000 bestätigte Infizierungen und mehr als 4100 Tote – im Vergleich zu Deutschland sind die auf die Einwohnerzahl sehr viel höher.

Wann Marcus Berndt mal wieder in Oranienburg sein wird, kann er noch nicht sagen. Er geht davon aus, dass es erst wieder im nächsten Jahr so weit sein wird.


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