Verbotene Liebe

FR 07.02.2020 | 22.30 Uhr | rbb

Der Titel „Verbotene Liebe“ ist seit der ARD-Seifenoper ein wenig verbraucht. Dabei steckt hinter diesem Titel auch ein sehr sehenswerter und kontroverser Film aus der Endzeit der DDR.
Denn bei dieser verbotenen Liebe geht es um ein wirklich ernstes Thema, das auf sehr interessante Weise umgesetzt worden ist. Er wurde 1989 von der Defa gedreht und hatte nach dem Mauerfall im April 1990 Premiere.
Am Freitagabend lief er im rbb in der „Retro“-Reihe.

Georg (Hans-Peter Dahm) ist 16, Barbara (Julia Brendler) ist 12. Sie sind Nachbarn, und sie verlieben sich ineinander. Ja, es ist Liebe. Aber sie ist verboten, denn Barbara ist nach dem Gesetz ein Kind. Und als Georg 18 ist, wird er von Barbaras Vater angezeigt. Es kommt zum Prozess – und zur Belastungsprobe für die Menschen im Dorf, in der Kleinstadt, an der Schule. Hält man zu Georg? Ist die Liebe wirklich auch moralisch verboten, wenn sie von beiden Seiten kommt? Kann man wirklich sagen, dass Georg Barbara missbraucht hat?

„Verbotene Liebe“ gehört zu den ganz starken Filmen aus der DDR. Eindringliche Bilder, großartige Schauspieler, untermalt mit einer unter die Haut gehenden Musik. Dazu geschliffene Dialog, es gibt Momente, da hängt man den Schauspielern an den Lippen.
Und: Der Film wertet nicht. Das Urteil ist dem Zuschauer überlassen. Er soll sich selbst Gedanken machen, ob es in Ordnung ist, dass Georg und Barbara sich lieben. Wir hören beide Seiten, Zustimmung und Ablehnung. Es wird sehr deutlich, dass dieser Fall kein einfacher ist. Es gibt kein Gut und Böse.

-> Trailer auf Youtube


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Kommentare

10 Antworten zu „Verbotene Liebe“

  1. ThomasS

    Knapp verpasst. Schade! 🙁

  2. RT

    Ja, schade. Die Filme sind leider immer nur eine Woche verfügbar. Habe ihn bislang auch nicht als DVD oder im Stream gefunden.

  3. ThomasS

    Habe mir jetzt mal die Buchvorlage geholt („Der Sündenfall“ von Helmut H. Schulz, entstanden Anfang der 1960er Jahre und in dieser Zeit spielt die Erzählung auch), nachdem mir der Film, den ich nachträglich doch noch anschauen konnte, nicht so recht gezeigt hat, wo denn eigentlich das Problem liegt.

    Denn was ich gesehen habe, war nicht mehr und nicht weniger als eine rührende Jugendromanze mit ein paar wenigen Softporno-Elementen. Einen Aufreger habe ich nicht gesehen. Gewiss hat mein Unverständnis auch damit zu tun, dass die Darstellerin des Mädels deutlich älter war als 12. So frühreif kann niemand sein. Hätten sie wirklich eine Zwölfjährige genommen, wär’s sicherlich ein Stückweit verstörender geworden. Zum Glück für alle Beteiligten hat man sich nicht getraut, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.

    Was die Dialge betrifft, so war das m.E. typisch Defa. Die Botschaft sehr subtil zwischen den Zeilen versteckt, weil man eben nicht alles konkret ansprechen durfte. Das verleiht dem Film eine Bedeutungsschwangerschaft, die aus heutiger Sicht unverständlich erscheint.

    Die Erzählung von Helmut Schulz umfasst 74 Seiten. Ich habe gerade erst mit dem Lesen angefangen. Falls es gewünscht wird, könnte ich an dieser Stelle berichten.
    Falls gewüscht

  4. RT

    Gerne.

  5. ThomasS

    Das Buch konzentriert sich zunächst sehr auf die Vorgeschichte der Siedlung und der beiden Elternhäuser, die gegensätzlicher nicht sein können. Die Siedlung, ursprünglich eine Sommerfrische für reiche Städter, wurde nach dem Krieg zum Auffangbecken für Ausgebombte und Flüchtlinge, die sich dann auf Dauer dort eingerichtet haben. Während die Zanders aber sehr gewissenhaft sind, kann man deren direkte Nachbarn, die Behrends, getrost als Sozialfall bezeichnen. Da wird viel gesoffen und das Anwesen verrotten lassen. Man mag sich nicht besonders, dennoch besteht lange keine offene Feindschaft. Vielmehr werden die Behrends von den Zanders mehr oder weniger zähneknirschend toleriert.

    Die Gegensätzlichkeit der beiden Familien setzt sich auch in der nächsten Generation fort, also bei dem Paar, das im Mittelpunkt der Erzählung steht. Georg ist Jahrgang 1946, Barbara ist 1952 geboren. Georg als einziges Kind der Zanders ist bereits als 12-Jähriger ein halber Erwachsener. Er ist sehr ernst und verantwortungsvoll. Barbara, nach zwei Söhnen das Nesthäkchen der Familie Behrend, wächst in Verwahrlosung auf und lebt in ihrer eigenen Fantasiewelt.
    Als Nachbarskinder wachsen beide miteinander auf und haben täglich miteinander zu tun.

    Wie im Film ist auch in der Vorlage Barbara die treibende Kraft in der Beziehung.
    Sie ist sehr besitzergreifend und greift auch zu unfairen Methoden, um Georg an sich zu binden. So begibt sie sich als 6-Jährige absichtlich in Gefahr, um sich von Georg retten zu lassen. Trotz seines höheren Alters ist Georg derjenige, der sich Barbaras Führung unterwirft und sich mitziehen lässt: Bei ihren geheimen Treffen (nach dem Vorfall wurde ihm der weitere Umgang untersagt), beim ersten Kuss und schließlich auch beim ersten Geschlechtsverkehr.

    Als es am Ende der Erzählung zum Prozess kommt, ist sie 12, er ist 18 und lebt in einem Internat in der Kreisstadt. Ins Rollen gebracht wurden die Mühlen der Justiz durch eine Anzeige von Barbaras Mutter. Ursache der Anzeige ist allerdings nicht so sehr das Vergehen selbst, sondern der Konflikt zwischen den Familien, der aus anderen Gründen jetzt offen ausgebrochen ist. Die Mutter versucht noch, die Anzeige nachträglich zurückzuziehen, aber es wird bereits ermittelt. Am Ende wird Georg von der obersten Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt. In der Urteilsbegründung, die am Schluss zitiert wird, heißt es, mildernde Umstände (etwa sein ansonsten tadelloser Lebenswandel) dürften nicht in Betracht kommen; zu beurteilen sei nur die Tat selbst.

    Im Gegensatz zum Film findet die korrekte Einordnung des Vergehens in das marxistisch-leninistische Wertesystem im Buch überhaupt nicht statt. Zwar spielt auch die Erzählung vor dem Hintergrund des DDR-Alltags. So wird etwa die Zwangskollektivierung mit ihren Methoden ausführlich geschildert, die Anfang der 1960er Jahre wohl stattfand. Jedoch gesteht der Autor seinen Figuren eigene und durchaus auch kritische Gedankengänge gezügich des staatlichen Vorgehens zu. Womöglich ein Grund, warum die Erzählung nicht zeinah veröffentlicht wurde. Laut wikipedia erfolgte eine Veröffentlichung erst 1988 im Verlag der Nation, Berlin.

    Auch der Terror, dem Barbara durch die Dorfjugend nach bekanntwerden der Anzeige ausgesetzt ist, kommt im Text nicht vor; vielmehr sind Georgs Eltern von Ausgrenzung betroffen. Ebensowenig die nachträgliche Solidarisierung der Mitschüler mit dem Paar. Die im Film omnipräsente Figur der engagierten Lehrerin taucht im Buch zwar auf; sie spielt aber eher eine Nebenrolle.

    Alles in allem hat mir das Buch besser gefallen als die Verfilmung. Es erscheint mir näher am wirklichen Leben und kommt deutlich weniger programmatisch daher. Ein 12-jähriges Mädel und ein 18-jähriger Heranwachsender – das hinterlässt natürlich eine Duftmarke. Und dennoch stehe ich in diesem speziellen Fall (!) eher auf der Seite einiger Dorfbewohner, von denen es heißt: „Keiner wusste, ob die beiden was miteinander gehabt hatten. Es war auch gleichgültg, jeder Mensch, Frau oder Mann, hätte von Liebe und Unglück erzählen können. So verschlungen die menschlichen Wege auch sind, von Notzucht bis zur freiwilligen Hingabe, so lächerlich erschien dem Dorf die Vorstellung von Unzucht im Zusammenhang mit diesen beiden ungen Menschen“.

  6. RT

    Sehr interessant! Danke!

  7. ThomasS

    Einige pathologische Andeutungen aus der Erzählung wurden dennoch im Film umgesetzt und dies sogar deutlich krasser als in der Vorlage. So etwa die Mutter, deren Augen wohlgefällg auf den nackten Körper ihres Sohnes gerichtet sind, der unter der Dusche steht.

  8. RT

    Ich habe ihn gerade nach längerer Zeit auch mal wieder gesehen, und ich muss sagen, er hat mich wieder sehr berührt.
    Wobei ich auch sagen muss, dass mich solche in der DDR spielenden Filme eh berühren, weil ich die Zeit ja zumindest noch kurz miterlebt habe und mich in einige Situation gut eindenken kann.

    Interessant ist ja auch, dass der Film erst im Frühjahr 1990 ins Kino kam. Mich würde mal interessieren, wann er genau fertig wurde. Gedreht wurde er ja sicher ein paar Monate vor der Wende. Aber es sind ein paar interessante Dinge im Film, die vor dem Mauerfall so sicher nicht durchgegangen wären. Das Hören des SFB, dann diese „Dallas“-abgewandelte Melodie im Fernseher. Ich meine, der Film im Kino war ein in der DDR verbotener, da bin ich mir aber nicht sicher.

  9. ThomasS

    Die „Dallas“ Melodie ist mir auch aufgefallen.

  10. RT

    Hatte sicher rechtliche Gründe, aber die Takte waren schon sehr ähnlich.

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