Die Zeit des Aufbruchs ist 30 Jahre her

Sozialdemokraten erinnern in Bärenklau an die Wende 1989 – fast schon ein bisschen wehmütig

MAZ Oberhavel, 9.11.2019

Bärenklau.
Es war eine Zeit des Aufbruchs. Damals, 1989. Vor 30 Jahren. Im Bärenklauer Dorfkrug ist am Donnerstagabend das Jubiläum der Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR gefeiert worden. Die war am 7. Oktober 1989 im Pfarrhaus in Schwante. Die SDP ist ein paar Monate später auch in der DDR in SPD umbenannt worden. Von der Euphorie ist heute, 2019, nicht mehr bei allen Sozialdemokraten viel übrig. Das war am Donnerstag im Dorfkrug zu merken, und nicht nur, weil gerade mal 20 Leute zu der Veranstaltung des SPD-Unterbezirksausschusses Oberhavel kamen. Viele ließen sich entschuldigen, von den Jusos kam nur einer. Ein bisschen Enttäuschung schwang den Abend durchaus mit.
Dabei ist die SPD in Oberhavel mit etwa 650 Mitgliedern der drittgrößte Unterbezirk in Brandenburg. 13 Ortsvereine gibt es im Landkreis. „Die Stimmung bei uns ist deutlich besser als dargestellt“, sagte Susanne Kohl, die Vorsitzende des SPD-Unterbezirksausschusses in Oberhavel. Die Mitgliederzahl sei stabil, dennoch sei man traurig, dass die Partei auch bei den Kommunalwahlen viele Federn habe lassen müssen. Sie selbst ist seit 15 Jahren in der SPD. Sie stammt aus Südhessen, lebt seit 2000 in Birkenwerder. „Aber ich habe schon als kleines Mädchen Plakate für die SPD geklebt.“ Sie sei in einem politischen Elternhaus groß geworden.

Im Dorfkrug ist dann ein Film von 2013 gezeigt worden. Darin erzählen bekannte Größen der Oberhavel-SPD von der Gründung der damaligen SDP 1989 in Schwante und der Entstehung der verschiedenen Ortsvereine im Kreis Oranienburg. Markus Meckel berichtete in dem Film, dass die Vorbereitungen zur Gründung der SDP schon im Januar 1989 begonnen haben, Ende August erging der Aufruf zur Gründung der Partei, am 7. Oktober erfolgte die formelle Gründung.
Schwante schaffte es damals sogar bis in die Tagesschau vom 8. Oktober 1989. Karsten Peter Schröder aus Bärenklau verfolgte damals die Nachrichtensendung: „man wollte doch wissen,was läuft.“ Als der Name Schwante gefallen sei, habe er noch überlegt, wie viele Schwantes es wohl gebe. Dass damit das Schwante nebenan, drei Kilometer Luftlinie entfernt, gemeint sei, habe er erst geschnallt, als die entsprechende Karte im ARD-Fernsehen auftauchte.

Im Januar 1990 war Karsten Peter Schröder dann an der Gründung des Bärenklauer SDP-Ortsvereins beteiligt und wurde auch gleich dessen Vorsitzender. In Brandenburg erzielte die SPD dann zwar Erfolge, aber zur ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 „kam die erste große Klatsche“, so Schröder am Donnerstagabend. Die CDU gewann die Wahlen, auch bei den Kommunalwahlen wurde die SPD zweitstärkste Kraft hinter der CDU.

Mario Jilg, der heute in Leegebruch lebt, erinnert sich an eine „tolle Zeit“. Er war dabei, als 1989 die SDP, die spätere SPD, auch in Oranienburg gegründet worden war. „Alles in allem haben wir da eine Menge auf die Beine gestellt“, sagte er in Bärenklau. In der Kreisstadt seien kontinuierlich Veränderungen zu sehen gewesen. Mit dem Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke, der inzwischen aus der SPD ausgetreten ist, hätten die Sozialdemokraten jemanden mit viel Einfluss gehabt, so Mario Jlig weiter. Er machte seinen Genossen Mut: „Gerade jetzt ist es die Zeit, anzupacken und die Jugend zu motivieren.“ Die SPD habe ein bisschen die Bürger aus den Augen verloren, die Partei müsste mehr zeigen, was sie geleistet habe, so der Leegebrucher weiter.

Jochen Reißig ist Ende Oktober 1989 in die damalige SDP eingetreten. Am 6. Dezember 1989 hatte er seinen Ausweis bekommen, den er auch am Donnerstag dabei hatte. „Weil wir hier etwas verändern wollten“, so der Leegebrucher. „Weil wir es besser machen wollten, wir wollten aus beiden Systemen das Beste nehmen.“ Leider sei aus dem Osten nur der Grüne Pfeil und das Ampelmännchen übernommen worden, so Jochen Reißig. Es habe sich um einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gehandelt, nicht um eine Wiedervereinigung. Er sei weiter überzeugter Sozialdemokrat, aber: „Die SPD ist in keinem guten Zustand“, sagt er. „Weil sie vergessen hat, dass sie mal eine linke Arbeiterpartei war. Sie müsste sich wieder auf ihre sozialdemokratischen Wurzeln besinnen, dass die Leute das auch wieder merken.“ Durch die Hartz-IV-Reformen habe man 50 Prozent der Wähler eingebüßt, vermutet Jochen Reißner.

Monika Schubert, die stellvertretende Vorsitzen des SPD-Unterbezirksausschusses, sprach am Donnerstagabend von einer aufregenden Zeit. „Ich möchte sie nicht missen.“ Das Ost-West-Gerede, das es immer noch gibt, stört sie. Auch, „dass einige möchten, dass die Mauer wieder steht. Ich weiß nicht, was in manchen Köpfen vorgeht“, so die Oranienburgerin. Gut eine Stunde lang erzählen die SPD-Leute noch von damals und heute.


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