Ines Geipel: Umkämpfte Zone – Mein Bruder, der Osten und der Hass

Seit einigen Jahren rückt Deutschland wieder stärker nach rechts. Vor allem Ostdeutschland rückt nach rechts. Dabei geht es um die Frage: wieso? Wieso wählen ein viertel der ostdeutschen Wähler eine Partei, die ganz klar rechtsextremistische Züge aufweist.

Ines Geipel schreibt in ihrem Buch über die „Umkämpfte Zone“, über ihren Bruder, den Osten und den Hass. Sie berichtet von ihrer Familie. Von ihrem Vater, der für die Stasi arbeitete, vom Schweigen, das ansonsten darüber in der Familie herrschte, Sie erzählt von ihrem Bruder, von seinem Tod und den vielen Erinnerungen an damals.
Sie arbeitet sich aber vor allem an der Art und Weise, wie in der DDR erinnert worden ist. Daran, dass vor allem geschwiegen worden ist. Eine richtige Aufarbeitung der Nazizeit habe im Osten kaum stattgefunden. Selbst als die Gefangenen aus den russischen Lagern zurückkehrten, hatten die ihren Mund zu halten. Rechtsradikale Vorfälle, wie es sie schon zu DDR-Zeiten in Sachsen gab, sind totgeschwiegen worden. So wird auch an einen Prozess in den späten 80ern in Oranienburg erinnert, als Neonazis vor Gericht standen.

Es geht um Verdrängung und Verleugnung. Darum, dass die Wiedervereinigung ja „nur“ ein Beitritt der DDR an die Bundesrepublik war und für die „Wessis“ kaum Veränderungen brachte – stattdessen fielen viele Ostdeutsche durchs Netz. Und erneut diese Sprachlosigkeit, das Nichtansprechen von bestimmten Themen , das Nichtdiskutieren von wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Das Buch beginnt ganz stark, als Ines Geipel die letzten Momente mit ihrem Bruder beschreibt. Danach kommt ein schreiberischer Bruch, wenn der Dokumentarstil angenommen wird. An einigen Stellen ist die geschichtliche Betrachtung ein wenig langatmig geworden, die Analyse am Ende ist dann aber wieder sehr spannend.
Ein wichtiges Buch, wenn auch kein erfreuliches.

PS: Ein Satz im Beschreibungstext auf dem Buchrücken irritiert sehr: „Verlieren wir den Osten Deutschlands?“
Wer sagt den? Ines Geipel? Wer ist „wir“? Und wie soll ich diesen Satz als Ostdeutscher bewerten? Er klingt, als habe ihn ein Lektor in Westdeutschland geschrieben, und er ist an dieser Stelle aus vielen Gründen falsch und unpassend.

Ines Geipel: Umkämpfte Zone – Mein Bruder, der Osten und der Hass
Klett-Cotta, 277 Seiten
7/10


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