ZAPPER VOR ORT: Der Stellvertreter

SA 08.09.2018 | Berlin, Schlossparktheater

Es war ruhig geworden um Georg Preuße, der lange Zeit als Travestiestar mit seiner Rolle als Mary bekannt war. Um so spannender war es, wie er sich als Papst Pius XII. im bekannten Hochhuth-Theaterstück „Der Stellvertreter“ schlagen wird. Immerhin macht das Schlossparktheater auch kräftig Werbung mit ihm, sein Bild ist vorn auf dem Vier-Monats-Programmheft. „Der Stellvertreter“ ist das Highlight-Stück der Saison in Berlin-Steglitz.
Am Sonnabendabend war Premiere.

Pater Riccardo (Tilmar Kuhn) ist in Berlin und entsetzt: Er erfährt von Verhaftungen, von Deportationen und vom Holocaust. Er ist empört, auch darüber, dass Papst Pius XII. scheinbar dazu nichts zu sagen hat. Er reist nach Ro, und es kommt tatsächlich zu einem Treffen, das aber anders endet als gedacht.

„Der Stellvertreter“ wurde 1963 das erste Mal aufgeführt. Es geht um die umstrittene Rolle des Papstes während des Dritten Reiches. Damals sorgte es für viel Aufsehen, weil eindrucksvoll dargestellt worden ist, wie untätig die Katholische Kirche war, wenn es um die Verbrechen an den Juden ging.
Theater-Intendant Dieter Hallervorden sagt, dass in „Zeiten, in denen AfD-Politiker unverblümt ihre dunkelbraunen Reden schwingen, ist es für ein heutiges Theater geradezu eine Selbstverständlichkeit, zu zeigen, wohin solche Hetzreden, solch eine rechtsradikale ,Alternative‘ schon mal geführt haben.“
Dazu allerdings taugt das Stück nicht allzu gut.

Die Frage ist: Was will uns das Stück heute noch sagen? Was erreicht das Stück in meinem Denken? Welche Schlüsse kann ich daraus ziehen?
1963 war die Rolle der Katholischen Kirche ein wichtiges Thema. Doch dazu ist heute alles gesagt – beziehungsweise wird im Stück dazu auch nichts Neues gesagt.
Wenn sich ein heutiges Theater mit Rechtsradikalismus befassen will, müsste es nicht dann auch ein modernes Stück sein. Etwas, das über die heutige Zeit etwas sagt? Oder wenn nicht, dann doch ein Stück, das sich eventuell mit dem Dritten Reich auf Basis von „normalen“ Leuten befasst? Das Kirchenthema und die im Stück geführten Diskussionen haben mit dem Lebensalltag der Zuschauer 2018 nur noch wenig zu tun.
Insofern äußert Dieter Hallervorden für sein Theater ein richtiges und wichtiges Ziel – will es aber mit dem falschen Stück erreichen.

Hinzu kommt: Der Hauptdarsteller ist das schwächste Glied im Stück. Georg Preuße als Papst ist eine Enttäuschung. Ihm fehlt es an Ausstrahlung, an Stimme, er kann die Rolle nicht ausfüllen, es scheint, als wären seine schauspielerischen Mittel begrenzt. Dieser Papst lässt einen kalt, und das sollte Papst Pius nun wirklich nicht.
Alle anderen Darsteller, bis in die kleinen Nebenrollen, waren dagegen richtig gut. Tilmar Kuhn, der als Riccardo sein Entsetzen, seine Wut, nicht verhehlen kann, spielt eindrücklich.
Er kann aber auch nicht verhindern, dass insbesondere die erste Hälfte ein wenig langatmig wirkt. Toll dagegen (aber ebenfalls zu lang) ist eine Passage, die hinter einer Schattenwand spielt – eigentlich in Sachen Regie der einzige außergewöhnliche Einfall. Die Spannung zur Pause hin wird erhöht, weil Papst Pius da noch gar nicht aufgetaucht ist. Umso größer ist dann tatsächlich die Enttäuschung.
So hinterlässt diese Premiere leider einen ziemlich schalen Nachgeschmack.


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