Thilo Bock: Senatsreserve

2018. Gerade stand mal wieder in der Presse, dass irgendwie und irgendwer darüber nachdenkt, die Berliner U-Bahn-Linie 8 bis ins Märkische Viertel zu verlängern.
1988. Karsten Grube ist 20, als er sich als Praktikant beim „MV Kurier“ bewirbt. Das kostenlose Blättchen wird im Märkischen Viertel in Berlin-Reinickendorf verteilt, und eines der brandheißen Themen: die immer noch ausstehende Verlängerung der U8 ins MV. Die ist nämlich immer wieder versprochen worden, und Karsten und der Redakteur Martin Horn sind da einer echten Verschwörung in diesem Zusammenhang auf der Spur. Bei ihren Recherchen geraten die beiden allerdings in die etwas schmutzige Welt der Bordelle und dunklen Geschäfte.
Karsten selbst hat unterdessen mit seinem Privatleben zu kämpfen. Er ist mit Simone zusammen, aber ihre Mutter Christel hat es ihm auch angetan. Und sein Vater nervt – er bringt nämlich ständig irgendwelchen Kram mit, der aus der Senatsreserve West-Berlins stammt.

Thilo Bock hat mit „Senatsreserve“ einen Roman geschrieben, der viele interessante Ansätze hat. Da ist einerseits der sehr interessante Einstieg, als Karsten in das Leben eines Reinickendorfer Lokalreporters eintaucht. Dann natürlich die Story um die U8 und um die Senatsreserve. Einen Einblick in die West-Berliner Provinz 1988/89 ist so oder so schon ungewöhnlich und interessant.
Das alles ist also durchaus gut zu lesen, wirkt aber an einigen Stellen seltsam unausgegoren. Schon allein, dass die U8-Geschichte irgendwie auf der Stelle tritt, nervt irgendwann. Das Ganze tritt seitenlang auf der Stelle, die Puffgeschichten sind abstrus. Auf die Senatsreserve wird letztlich gar nicht wirklich eingegangen, sie spielt immer nur eine Nebenrolle. Karstens Privatgeschichten werden erst im Laufe des Buches interessanter.
Am merkwürdigsten aber ist im dritten Kapitel die plötzlich wechselnde Erzählperspektive. Erzählt davor Karsten die Geschichte, wird dann alles in der dritten Person erzählt, und plötzlich ist auch immer nur von „Horn“ und „Grube“ die Rede. Das wirkt unangemessen spröde, und wieso es zu diesem Wechsel kommt, ist vollkommen unklar.
So ist „Senatsreserve“ grundsätzlich eine packende Geschichte – wirkt aber leider vollkommen unfertig und hätte an einigen Stellen noch mal bearbeitet werden sollen.

Thilo Bock: Senatsreserve
Frankfurter Verlagsanstalt, 320 Seiten
6/10


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