Nach 73 Jahren wieder in Beetz

1945 auf dem heutigen Schulgelände: Karl Dieter Euler kehrt an seinen Geburtsort zurück

MAZ Oranienburg, 31.5.2017

Beetz.
Die Treppe sieht aus wie auf dem Foto. Die Türen sind auch noch original. Karl Dieter Euler läuft durch die Räume der alten Grundschule in Beetz. Da, wo heute Kinder unterrichtet werden, da ist er geboren und getauft worden. Das war 1945. Nach 73 Jahren kehrt der Mann nun an seine Geburtsstätte zurück. „Schön, nach Hause zu kommen“, sagt er.

Genau genommen kennt Karl Dieter Euler Beetz nur von Bildern und aus Erzählungen. Am 9. Februar 1945 ist er in „Beetz/Osthavelland“ geboren worden – im Nebengebäude der heutigen Grundschule. 1944 ist seine Familie in einer größeren Gruppe aus Bonn in die Gegend gezogen. „Da ist es ruhiger und sicherer“, hieß es damals. Viele von ihnen lebten auf Bauernhöfen im Ort – und auch auf dem Gutshof der Familie von Quast, auf dem sich nun die Schule befindet.
Als aber der Krieg zu Ende ging und die Russen in Richtung Berlin marschierten, wurde es auch in Beetz wieder unsicher. Der Tross entschied sich, wieder zurück in Richtung Westen zu laufen. Karl Dieter Euler verließ Beetz, da war er gerade mal zweieinhalb Monate alt. Seitdem kam er nie wieder zurück. Beetz/Osthavelland steht aber natürlich seitdem in allen seinen Ausweisen. Was in Zeiten des geteilten Deutschlands nicht immer einfach war. Er durfte beispielsweise von seinem Wohnort Bonn immer nur mit dem Flieger nach West-Berlin einreisen, nicht mit dem Transitzug durch die DDR. Auch in Momenten, in denen er seinen Dienstausweis zeigen musste, gab es immer wieder kritische Nachfragen wegen des im Osten liegenden Ortes. Man hielt ihn, den Beamten bei der Post, immer für einen ehemaligen Bewohner der Ostzone.

Der Drang, mal nach Beetz zurückzukehren, der war schon lange da. Nun hat sein Sohn Jan alles recherchiert und alles organisiert. Jetzt stehen sie also da – Karl Dieter Euler, seine Frau Gertrud und sein Sohn Jan – und für einen Moment schweigt der 73-Jährige, schmunzelt dann aber auch. „So ein bisschen bin ich schon emotional“, sagt er. „Meine Mutter sprach immer nur von einem Schloss. Da hat sie wohl übertrieben.“ Ansonsten erkennt er vieles von dem, was er auf Bildern gesehen hat, wieder.
Zu Hause warten sie schon auf erste Fotos, immer wieder gibt es Anrufe aus Bonn auf dem Handy, um erste Erfahrungsberichte einzuholen. Es werden Fotos gemacht. Schon vorhin, am Ortsschild, an der Straßenkarte im Ortskern, und jetzt im Gebäude auf dem ehemaligen Gutshof. Für die dort arbeitenden Lehrer ist das übrigens nichts Neues. Immer mal wieder schauen ehemalige Schüler vorbei, um sich in den Räumen umzusehen.
Der Besuch von Karl Dieter Euler war aber dennoch speziell. „Wir hatten einen sehr freundlichen Empfang in der Schule, wurden mit offenen Armen empfangen“, sagt der 73-Jährige. Gleich wollen sie noch einen Rundgang um den Beetzer See machen – allerdings sind sie sich gar nicht sicher, ob die Mutter überhaupt diesen See meinte. „Eigentlich war der eher immer in dieser Richtung“, sagt Karl Dieter Euler und zeigt in Richtung Kremmen. Ob sie vielleicht einen anderen See gemeint hatte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Die Eulers wollen sich nun noch Berlin anschauen – in Leipzig, Dresden und Potsdam waren sie schon. Nun auch in Beetz, und in Bonn warten die Freunde und Verwandten schon auf ausführliche Berichte. Bezugnehmend auf die Probleme, die er einst mit „Beetz/Osthavelland“ hatte, sagt er: „Ich bin froh, dass sich der Alptraum darum ein für allemal nun ins Positive überschlägt.“ Seinem Sohn ist er sehr dankbar: „Ohne ihn hätten wir das hier nicht hinbekommen.“


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