ZAPPER VOR ORT: Letzter Vorhang für die Komödie am Kurfürstendamm

SO 27.05.2018 | Berlin, Komödie am Kurfürstendamm

Das war’s. Letzter Vorhang. Die Komödie am Kurfürstendamm ist Geschichte. Sie wird abgerissen – wie auch das Theater nebenan, das aber immerhin und höchstwahrscheinlich ein Comeback erleben wird.

Sonntagnachmittag in Berlin-Charlottenburg. Vor der Komödie ist ein großer Menschenauflauf. Alle stehen sie da, erzählen und gucken. Auf das Theater. Soll es das wirklich gewesen sein? Fast 100 Jahre Berliner Kulturgeschichte? Einfach weg damit?
Ja, in Berlin geht so was. In Berlin schmeißt man Geschichte einfach in den Müll, reißt sie gnadenlos ab. Denkmalschutz? Wozu braucht man denn so was?

Einige Prominente schauen auch noch mal vorbei. Ilja Richter ist oft in den beiden Theatern aufgetreten. Auch Tanja Wedhorn in den vergangenen Jahren. Dominic Raake ist ebenfalls da – und einige andere mehr. Alle nehmen sie Abschied von dieser Kulturstätte.
Ja, es ist „nur“ Boulevard. Es ist keine Hochkultur, die da geboten wurde. Aber wer bestimmt eigentlich, was gute Kultur ist und was nicht? Brauchte und braucht es nicht immer relativ leichte Unterhaltung? Wobei Theater und Komödie am Kurfürstendamm auch durchaus ernte Stücke im Programm hatten.

Der Saal füllte sich – ausverkauft. Die Spannung, die Wehmut war greifbar. Theaterchef Martin Woelffer kommt auf die Bühne und kündigt die allerletzte Vorstellung an. Und lässt erst mal ein Foto machen. Damals, als die Komödie eröffnet worden ist, wurde zur ersten Vorstellung ein Foto gemacht. Jetzt sollte sich der Kreis schließen – mit einem Foto des Abschiedpublikums – von uns.

Das letzte Stück im alten Haus: „Der Raub der Sabinerinnen“, in einer Inszenierung von Katharina Thalbach. Es geht um einen Professor, der als Jugendlicher eine Römertragödie geschrieben hat. Theaterdirektor Striese kann ihn überreden, das Stück zur Aufführung zu bringen. Das klappt – aber er will anonym bleiben. Was schwierig ist, denn die Frau des Professors kommt viel zu früh vom Ostseeausflug zurück.
Es ist ein Hommage ans Theater – und mit Katharina Thalbach als Hauptdarstellerin ein toller Abend.

Und dann ist es vorbei. Applaus. Alle stehen auf. Die Schauspieler verbeugen sich. Es ist der Applaus für das Stück – aber auch für das Theater, für das Ende einer Ära. Viele Leute haben Tränen in den Augen, denn eigentlich ist das gerade ein sehr trauriger Moment.
Martin Woelffer und und sein Vater Jürgen Wölffer kommen auf die Bühne – sprechen Worte des Abschiedes.
Für die Theaterleiter ist das vermutlich der bitterste Moment. Sie konnten die Kudamm-Bühnen nicht retten. Nur ein Theater wird im neuen Gebäude, das dort entstehen soll, errichtet. So lange geht’s ins Schillertheater.

Martin Woelffer bittet die Leute, noch mal an die vielen Menschen zu denken, die dort aufgetreten sind, die dort gearbeitet haben. Es wird ein Abschiedssong eingespielt, vorn wird ein Plakat aufgezogen, das das Bild zeigt, was am allerersten Vorstellungstag gemacht worden ist. Alle Leute im Saal stehen noch immer. Alle sind still, lauschen dem Lied, machen sich Gedanken, es fließen Tränen.
Ich denke an den 12. April 1999. Damals war ich das erste Mal in den Kudamm-Bühnen. Nebenan, im Theater, trat Mary auf. Es war ein beeindruckender Abend. Danach war ich relativ oft in einem der beiden Stätten. Ich erlebte dort die phantastische Judy Winter in „Spätlese“, diverse andere Stücke, Comedyshows mit Desiree Nick, Bastian Pastewka und Oliver Kalkofe. Ich war dort, im Theater, keinen Kilometer entfernt von dem Ort, wo der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt passierte. Aber meistens waren es eben gute Zeiten.

Die Musik war zu Ende. Dann wieder Applaus. Langer Applaus. Der Vorhang geht zu. Das war’s dann wirklich. Ende.
Der letzte Weg ins Foyer. Zum Abschied noch eine Wiener. Eine Himbeer-Bowle. Und dann raus, in den lauen Sommerabend. Ein letzter Blick vom Kudamm aus auf den Eingang der Komödie.
Und Abgang.


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