Der Hauptmann

Deutschland, im April 1945. Der zweite Weltkrieg ist fast zu Ende, Deutschland so gut wie geschlagen. Viele Soldaten sind fahnenflüchtig – wie auch der junge, blonde 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher), der vor einer Horde von Hauptmännern (u.a. Alexander Fehling) wegrennt, die ihn aus reiner Mordlust erschießen wollen. Er entkommt und entdeckt am Wegesrand ein verlassenes Militärauto. Darin entdeckt er nicht nur etwas zu essen, sondern auch eine Uniform – die eines Hauptmannes.
Ab sofort ist der Gefreite Herold der Hauptmann Herold. Er muss seine neue Rolle nur durchhalten, um zu überleben – so seine Strategie.
Als kurz danach der Soldat Freytag (Milan Peschel) auftaucht, kann Herold ihm erfolgreich weismachen, dass er einen höheren Dienstgrad hat. Freytag ist nun Herolds Fahrer, und im Laufe der Zeit kommen weitere Soldaten hinzu. Die „Kampftruppe Herold entsteht.
In seiner Uniform hat er viel Befehlsgewalt. Und immer öfter muss er hart durchgreifen, Plünderer erschießen oder im Gefangenlager dafür sorgen, Hinrichtungen durchzuführen. Aus dem Gefreiten wird ein skrupelloser Hauptmann.

Es ist ein höchst beeindruckender und extrem spannender Film, den Robert Schwentke ins Kino gebracht hat. „Der Hauptmann“ erzählt die Geschichte von Willi Herold. Aus dem ängstlichen Soldaten wird einer, der ebenfalls zum Mörder wird.
Anfangs hat er noch Skrupel und sichtbare Ängste, als Hauptmann durchzusetzen, was er durchsetzen muss. Denn ansonsten würde er auffliegen und vermutlich selbst hingerichtet werden. Aber Herold zieht seine Hauptmann-Rolle durch.
Auch für den Zuschauer ist das ein echter Horrortrip. Denn auch er muss sich darüber Gedanken machen, was da passiert. Anfangs leidet man mit ihm mit, und man möchte, dass er überlebt. Es ist ein Spiel, das er da macht. Aber man muss sich während des Films eingestehen, dass man nicht weiter mit ihm mithalten kann. es wird einfach zu grauenvoll, was da passiert.
Das sieht man auch am Soldaten Freytag – unfassbar gut gespielt von Milan Peschel. Man merkt regelrecht, dass er viel von dem Hauptmann hält, aber mehr und mehr entsetzt darüber ist, wie er sich wandelt – bis zu dem Zeitpunkt, wo Freytag eine menschenverachtende Demütigung erfährt.
Ebenfalls brillant spielt Frederick Lau. Er gehört zu den Soldaten, die den Hauptmann später begleiten. Er spielt das Spiel mit, und man weiß ganz genau: Er hat Herold von Anfang an durchschaut. Lau kann dieses Mienenspiel hervorragend.
Überragend spielt auch Samuel Finzi, der als Gefangener für die Nazis ein lustiges Programm aufführen soll – man sieht die Angst in den Augen.
Hauptdarsteller Max Hubacher ist eine echte Entdeckung. Die Entwicklung, die Herold macht, nimmt man ihm immer ab, und er schafft es auch, diese oben beschriebenen Überlegungen beim Zuschauer auszulösen: Aus einem Sympathieträger wird ein Ekel – und, das ist das Grauenvolle: Man tut sich schwer, ihn unsympathisch zu finden. Ein mulmiges Gefühl.
In einer Szene, als plötzlich Bomben fallen, wird dafür scheinbar auch der Zuschauer abgestraft – durch einen erschütternden Effekt.
Zwar zieht sich der Film zum Ende hin ein wenig – das ändert aber nichts daran, dass „Der Hauptmann“ ein sehr sehenswertes Meisterwerk ist. Bis hin übrigens zum Abspann mit einer ziemlich abstrusen, aber spannenden Idee.

Der Hauptmann
D 2017, Regie: Robert Schwentke
Weltkino, 119 Minuten, ab 16
9/10


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