Das schweigende Klassenzimmer

Schweigen. Für zwei Minuten. Eigentlich keine große Sache.
Aber hier ist es eine ganze Klasse, die schweigt. Die nicht auf die Fragen des Lehrers antwortet.
Es ist das Jahr 1956 in der DDR, in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt. In Ungarn gibt es einen Volksaufstand, und die Information darüber sind unterschiedlich. In den DDR-Medien sind die Russen die Guten, in den Westmedien sind sie die Bösen.
Theo (Leonard Scheicher) und Kurt (Tom Gramenz) sind mal wieder in West-Berlin, sie sehen im Kino die Wochenschau mit den Bildern aus Ungarn. Heimlich hören sie den RIAS, und sie sind empört.
Sie schweigen zwei Minuten lang, um den die Getöteten im Ungarn-Aufstand zu erinnern.
In der DDR gilt das als Konterrevolution. Der Schuldirektor (Florian Lukas) will den Vorfall zwar unter der Decke halten. Aber mit allen Mitteln versucht die Staatsmacht (Jördis Triebel, Burghart Klaußner), den Anstifter zu ermitteln. Packt keiner aus, wird gedroht: Die ganze Klasse soll suspendiert werden, ihnen wird das Abi verwehrt – in der kompletten DDR.

Man könnte meinen, es seien schon alle Geschichten aus der Zeit des Kalten Krieges erzählt. Aber weit gefehlt. Regisseur Lars Kraume erzählt in seinem packenden Film „Das schweigende Klassenzimmer“ von einem unerhörten Vorfall.
Es sind viele interessante Ebenen, die diesen Film sehenswert machen. Zum einen natürlich die Story an sich – wie in der DDR Meinungen unterdrückt worden sind. Da wurde mit Erpressung, Erniedrigung und Angstmacherei gearbeitet. Ein interessanter Nebenfakt ist aber auch, zu sehen, wie die eigenen SED-Leute gedeckt werden. Betrifft ein Skandal einen der Ihren, dann wurde vertuscht und abgelenkt – und sogar eine Nazi-Vergangenheit unter den Tisch gekehrt.
Ganz nebenbei erfährt man im Film aber auch etwas über Propaganda in Ost und West. Der „freie Westen“ berichtete im RIAS über die Aufstände, und wie man im Film mitbekommt, sind es dort auch Falschmeldungen, die in Umlauf gebracht werden. Der Osten betreibt die umgekehrte Propaganda und berichtet aus einer anderen rot gefärbten Perspektive. Jede Seite glaubt ihren Medien – ein Punkt, der in heutigen Zeiten auch wieder spannend ist, wo den verschiedenen Medien aus und in allen Richtungen auch wieder Meinungsmache vorgeworfen wird.
Eine Riege von Jungschauspielern ist es, die diesen Film aber auch packend machen. Das Aufstrebende, dann aber die Angst und auch der Hass – all das wird toll dargestellt. In Nebenrollen glänzen Ronald Zehrfeld und Michael Gwisdek.
„Das schweigende Klassenzimmer“ ist eine packende Geschichtsstunde mit überraschenden Bezügen zur heutigen Zeit.

Das schweigende Klassenzimmer
D 2017, Regie: Lars Kraume
Studiocanal, 111 Minuten, ab 12
9/10


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