Generation ’89 – Erwachsenwerden im Wendejahr

SO 21.01.2018 | 23.50 Uhr | mdr-Fernsehen

Wer die Menschen im Osten verstehen möchte und rausfinden will, warum sie eventuell frustriert und enttäuscht sind von der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage, der muss sich nur mal mit der Wendezeit beschäftigen.
Der mdr zeigte am späten Sonntagabend die sehr spannende Doku über die „Generation ’89 – Erwachsenwerden im Wendejahr“. Sie porträtierte Menschen, die im Herbst 1989 um die 13, 14 oder 15 Jahre alt waren. Wer diesen Leuten zuhört, wird feststellen, dass jeder anders die Wendezeit erlebt und jeder für sich andere Schlüsse draus gezogen hat.

Da ist die junge Frau, die an die DDR glaube, die in der FDJ mitmischte – und die erschüttert war, dass mit dem Mauerfall von einem Tag auf den anderen nichts mehr so war wie vorher. Die da stand und nicht wusste, woran sie nun eigentlich glauben wollte.
Da ist der Schüler, der beobachtet hat, dass die Lehrer nach der Wende plötzlich nichts mehr zu melden hatten, weil die plötzlich keine Autorität mehr waren – und dementsprechend alles durchgehen ließen.
Da ist die Frau, die im November mit den Eltern in den Westen geflohen war und am 9. November 1989 in einem Aufnahmelager die Bilder aus dem fernen Berlin vom Mauerfall sah.
Und natürlich der junge Mann, der gleich am Tag des Mauerfalls rüber nach West-Berlin reiste – und ein anderer, der am Wochenende danach gleich mal mit dem Zug nach Hamburg fuhr.

Es bringt auch die eigenen Erinnerungen wieder zurück. An eine Zeit des Umbruchs. Im Leben, in der Familie, in der Schule. In den eigenen Erinnerungen sah das alles gut aus.
Alles haben die Menschen im Osten Deutschlands etwas gemeinsam: Innerhalb eines Jahres kamen sie in einer neuen Gesellschaft an. Wiedervereinigung. Das war ein großartiges Ereignis – es hatte aber auch Schattenseiten. Die DDR wurde geschluckt – mit allem, was an ihr übel war, aber auch mit dem, was gut war. Gewohnheiten, Produkte, das Fernsehen, Konventionen – vieles war einfach nicht mehr da. Vom System, in dem es ja auch Menschen gab, die sich inklusive Ideologie wohl fühlten, ganz zu schweigen.

Fast 30 Jahre nach dem Untergang der DDR könnte man denken, die wunden seien verheult, dass Ost und West verschmolzen sind. In vielerlei Hinsicht sind sie das auch. Aber dennoch: Im Osten ist der Frust auch aktuell wieder groß. Das Gefühl, wieder kümmere sich keiner um sie. Das Gefühl, sie seien wieder auf dem absteigenden Ast. Das Gefühl, wieder werde überall gelogen.
An diesen Gefühlen ist nüchtern betrachtet vielleicht nicht immer was dran, aber man muss sie ernst nehmen.
Für solche Auseinandersetzungen ist diese Doku des mdr ein guter Einstieg.


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