Holger Kreymeier: Schalten Sie mal wieder ab! Ein Fernsehkritiker zwischen Webvideo und Wahnsinn

2007 ging es los. Es sah zwar dilettantisch aus, der Moderator saß an einem merkwürdigen Tisch, die Ausleuchtung war grauenvoll – aber inhaltlich war das spannend: Im Internet startete Fernsehkritik-TV. Holger Kreymeier beschäftigte sich mit dem Irrsinn des Fernsehens.
Aus der kleinen Magazin-Rumpelkammer wurde dann was ganz Großes – immer mehr Zuschauer, moderneres Sendungsoutfit, irgendwann dann ein richtiges Studio. Später kam Massengeschmack-TV, unter diesem Dach bündelt Kreymeier seitdem alle seine Magazin-Aktivitäten mit dem fernsehkritischen Magazin an der Spitze.

Zum zehnten Geburtstag des Magazins, 2017, erschien ein Buch, in dem der Fernsehkritiker über das Magazin, dessen Werdegang, über Höhen und Tiefen berichtet.
Allerdings gehen die ersten 15 Seiten für Unterstützernamen und Alternativtitel für das Buch drauf – so was gehört eher ans Ende, da es irgendwie blöd ist, erst mal weiter und weiter zu blättern, ohne dass etwas Spannendes passiert.
Dann aber ist es fast durchweg interessant, zu erfahren, was Kreymeier eigentlich vor Fernsehkritik-TV getrieben hat. Wie er für eine Produktionsgesellschaft bei Axel Springer arbeitete und dort begann, am Journalismus und am Fernsehen zu zweifeln. Wie er beim NDR als freier Mitarbeiter gefeuert wurde, weil er kritisch über die Gebühren und die damalige GEZ berichtet hatte.
Sehr offen erzählt er später, was gut lief und welche Fehler er gemacht hat – ganz nebenbei gibt es ein Stück Mediengeschichte, inklusive des Call-in-Wahnsinns und des ausschweifenden RTL-Mülls.
Erstaunlich freimütig gibt er auch zu, dass sein Magazin längst seinen Zenit überschritten hat, es aber immer noch das Zugpferd seines „Senders“ Massengeschmack-TV ist.
Vermutlich ist das alles nur für Leser spannend, die Fernsehkritik-TV auch kennen – aber dafür ist es ja auch gemacht, auch wenn 19,95 Euro für ein Taschenbuch arg teuer sind.
Handwerklich fällt auf, dass die Seitennummerierung gleich bei „1“ beginnt, was eher weniger üblich ist, was vermutlich beim Layouten des Buches nicht beachtet worden ist. Auch fallen gerade am Ende viele Rechtschreibfehler auf, vermutlich ging da bei der Korrektur allen (oder nur Kreymeier selbst) ein bisschen die Luft aus. Ärgerlich: Der letzte Satz lautet deshalb „Wir sehen und im Internet.“ Hat aber das Zeug zum „Letzter Satz im Buch“ des Jahres.

Holger Kreymeier: Schalten Sie mal wieder ab! Ein Fernsehkritiker zwischen Webvideo und Wahnsinn
Alsterfilm GmbH, 247 Seiten
8/10


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Kommentare

7 Antworten zu „Holger Kreymeier: Schalten Sie mal wieder ab! Ein Fernsehkritiker zwischen Webvideo und Wahnsinn“

  1. ThomasS

    Ich kann mir nicht denken, dass irgendjemand den Text vor der Veröffentlichung gegengelesen geschweige denn redigiert hat. Besonders mit der Interpunktion geht er von Anfang an sehr sparsam um. Ich vermute mal, es war Eile geboten, weil man unbedingt noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen wollte.

    Über die chronologisch geordneten Abschnitte hinaus fehlt dem Text eine erkennbare Struktur. Vielmehr hatte ich den Eindruck eines Erzählers, der seine Gedanken und Erinnerungen frei Schnauze einem Diktaphon anvertraut und dabei willkürlich von einem Punkt zum nächsten springt. Für diese Vermutung spricht die Häufung von Phrasen wie „übrigens“ und „Aber dazu später mehr“. Das Sprechen scheint ihm eher zu liegen als das Schreiben.

    Was den Inhalt betrifft, kann ich dir nur beipflichten. Besonders interessant fand ich den ersten Abschnitt über den mit Fotos angereicherten Werdegang des Fernsehkritikers. Auch mich hat die Offenheit beeindruckt, mit der er über die Begegnung mit diversen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens berichtet. Ebenso das Eingeständnis, dass er sich selbst als Teil der Boulevardpresse auch nicht besser verhalten hat als die Leute, die er dann später kritisiert hat.

    Vieles von dem, was unser Freund dann über die Geschichte von FKTV und später massengeschmack berichtet, habe ich als Zuschauer selbst miterlebt, wobei er jedoch immer mal wieder mit bislang unbekannten Hintergrund-Informationen aufwartet, so dass auch hier die Lektüre nicht langweilig wird. Allein der letzte Abschnitt, wo es um die jüngste Vergangenheit des Projekts Massengeschmack geht, kommt mir vor wie eine Rechtfertigungs-Suada für diverse unpopuläre Maßnahmen, die aus finanzieller Drangsal heraus getroffen werden mussten. Nun ja …

    Ich halte es nicht für undenkbar, dass es irgendwann eine redigierte Neuauflage geben wird, zumal der Kritiker meines Wissens einen Experten in Sachen Grammatik an der Hand hat. Dann können wir uns vielleicht sogar glücklich schätzen, eine seltene Erstausgabe zu besitzen, wo es am Ende noch heißt „Wir sehen und im Internet“. 😉

  2. RT

    Ja, es sind einige Fehler drin, aber das ist in meinem Buch ja auch so. Beim allerletzten Satz fand ich es dann aber doch sehr lustig.

  3. ThomasS

    Da muss wirklich extremer Zeitdruck im Spiel gewesen sein.

  4. ThomasS

    Dabei ist er sonst so ein Perfektionist.

  5. RT

    Kannst ihn ja fragen…

  6. ThomasS

    Jaja …
    Da hättest du als Journalist & Kollege zweifellos die besseren Chancen, eine Antwort zu erhalten.

  7. RT

    Vermutlich. Hatte ja schon mal ein Interview mit ihm. Ist aber 7-8 Jahre her.

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