NeoMagazin Royale: Max Giesinger, der Echo und die Industriemusik

DO 06.04.2017 | 22.20 Uhr | zdf_neo

Es weht gerade ein kalter Wind durch die sonst so kuschelige deutsche Popwelt. Jan Böhmermann hat am Donnerstagabend mal wieder so richtig ausgeteilt – diesmal gegen das hiesige Musikbusiness mit all seinem Labersülz und der Verlogenheit drumherum, mit dem Gerede von der Liebe und dem Menschen und dem Kommerz, der damit verbunden ist.
Am Abend, als in Berlin der Musikpreis „Echo“ vergeben worden ist, zeigte Böhmermann bei zdf_neo den traurigen Stand der Dinge.

Die neuen deutschen Pop-Poeten. So nennt sich ein… ja, was eigentlich? Ein neues Genre? So was wie die Neue Deutsche Welle? Aber was sollen die Pop-Poeten eigentlich sein?
Böhmermann hat es da ganz besonders als Max Giesinger abgesehen, der viele Plattitüden in seinen Songs von sich gibt. Der erzählt, alles erzähle aus seinem Leben, alles sei total real (also: riehl). Er sei gegen Fakestorys. Seine Songs schreibe er alle selbst, ja, höchstens mit ’nem Kumpel zusammen. Dass es lauter Autoren sind, die auch für zig andere Pop-Poeten schreiben, erwähnt dagegen Jan Böhmermann. Was nicht schlimm ist – aber warum tut Giesinger ach so, ähm, real?

Abwaschbar, austauschbar sei die Musik von heute. Lachen, weinen, tanzen, so singt’s Matthias Schweighöfer öderweise. Und das sollen dann die neuen deutschen Pop-Poeten sein.

Oder sie verkaufen sich. Wenn Frida Gold nackt im Musikvideo rumrennt und damit Wasweißich anprangert, aber dann eine Mercedes C-Klasse sehr prominent im Clip platziert und die Werbeagentur darüber jubelt. Oder wenn „Gestört aber geil“ oder Glasperlenspiel auf geradezu unangenehme Art Schleichwerbung von Pick-Up (Böhmermann: „Schön nach’m Bumsen erst mal ’n Pick-Up aufmachen!“) oder AEG im Videoclip dulden. Aber Youtubern macht man die Hölle heiß, wenn sie Schleichwerbung nicht kennzeichnen.

Böhmermann schlägt zurück. Aus Labersülz-Satzfetzen ließ er fünf Schimpansen wahllos einen Text zusammenstellen, dann von einem Mitarbeiter einen Song komponieren und einspielen – und fertig war der Echo-Hit „Menschen Leben tanzen Welt“ von Jim Pandzko. Ein wahlloser Song, ein wahlloser Clip. Und es ist ein eingängiger Ohrwurm, aber eben „erfrischend“ inhaltsleer. Und das fällt unter dem anderen inhaltsleeren Kram kaum auf.

Es war ein Rundumschlag, der zunächst sprachlos machte. Aber Jan Böhmermann hat vieles auf den Punkt gebracht. Sicherlich: Pop ist Kommerz. Aber in vielen Fällen scheinbar nichts anderes mehr.
Das Video und der Song ist nun überall erhältlich, vielleicht kommt er in die Charts – und 2018 der Echo an fünf Schimpansen aus dem Zoo in Gelsenkirchen?


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