Schlagerland

MI 22.02.2017 | 23.00 Uhr | Das Erste

Umtz, umtz, umtz! Auch der deutsche Schlager kommt nicht mehr ohne Technobeats aus. Dazu muss man sich nur mal in Discofox-Tanzschuppen umhören oder einfach mal sonnabendnachts den „Rhythmus der Nacht“ bei WDR4 im Radio hören. Aber ohne ein paar Beats geht es scheinbar auch im Schlager nicht mehr.

Im Ersten lief am späten Mittwochabend die sehr spannende Doku „Schlagerland“. Ein Jahr begleiteten die Filmemacher verschiedene Protagonisten der Schlagerbranche.
Jürgen Drews zum Beispiel. Er war an einem Tag gleich auf drei Events anzutreffen. Dreimal rauf auf die Bühne, die Leute unterhalten, das Programm durchziehen. Zwischendurch unterwegs – mit dem Flieger und mit dem Auto. Nötig habe er das nicht, sagt er. Aber er mache es immer noch gern. Und das nimmt man ihm sogar ab, denn abgehoben scheint er ganz und gar nicht. Und er steht zu dem, was er macht. Auch weil er erzählt, dass er ja schon früher Schlager gehört habe, ohne sich einzugestehen, dass es sich um Schlager handelte.
Oder Roland Kaiser. Seit Jahrzehnten auf der Bühne – und immer noch mit Erfolg. Er genießt das, und er weiß, dass es nicht selbstverständlich ist. Aber er bedauert, dass es kaum noch möglich sei, Songs mit ernsthaften, aber dennoch unterhaltenden Texten unterzubringen. So wie es Udo Jürgens einst gelungen sei.
Andere wiederum scheinen ein wenig verbittert – wie Costa Cordalis, für den „Anita“ Fluch und Segen ist – er habe viel bessere Lieder geschrieben, nörgelt er.

Hochspannend ist auch zu sehen, wie ein Schlagerprodukt kreiert wird. Franziska Wiese hatte ihren Job aufgegeben, um zu singen. Was die Plattenfirma interessierte: Sie ist nicht blond wie Helene Fischer, und sie kann geigen. Das mit dem Geigen müsse ein Alleinstellungsmerkmal und was Neues sein. So sollte es auch kommen. Nur in die Schlagershow von Florian Silbereisen schaffte sie es zunächst nicht. Weil, um es flapsig zu sagen, sie zu langweilig war. Ihre Geschichte würde sich im Bühnenauftritt nicht übertragen, so sagte es der Produzent. Letztlich durfte sie dort doch auftreten – aber mit anderer Haarpracht und mit einem Couch für die Show. Ein Produkt muss geformt werden.

„Schlagerland“ gab es einen fesselnden Einblick in eine harte Branche. Hart, weil die Musiker viel arbeiten müssen, richtig schuften dafür, dass sie damit auch Geld verdienen. Und um die Fans befriedigen zu können.
Das Star-Dasein ist eben auch kein Zuckerschlecken.


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Kommentare

9 Antworten zu „Schlagerland“

  1. ThomasS

    Mir hat Franziska Wiese in ihrem ersten Outfit deutlich besser gefallen.
    Schockierend, dass letztlich ein einziger Guru entscheidet, welcher Sänger den Publikumsgeschmack trifft (der vermutlich nur sein eigener Geschmack ist) und in die einschlägigen TV-Sendungen eingeladen wird.

    Das eine Lied, das sie auf der Schaukel sitzend vorgetragen hat, hat durchaus Ohrwurm-Qualitäten. klingt andererseits aber auch irgendwie vertraut. Ich frage mich, ob nicht mittlerweile fast alle denkbaren Harmonien bereits verwurstet wurden, so dass sich das meiste nur noch wiederholen kann. Von einigen wenigen Geniestreichen wie dem Refrain von „Atemlos durch die Nacht“ mal abgesehen.

    Ich interessiere mich kaum für die heutige Schlagerszene. Meine Liebe gilt den Schlagern der 70er. War halt meine Kindheit.

  2. RT

    Joa, das ist aber normal, dass man das immer noch gern hört, was man früher gemocht hat. Deshalb trauen ja viele dem guten, alten Fernsehen von damals nach, obwohl es ja nicht wirklich immer besser war als heute.

  3. ThomasS

    „So viele Lieder sind in mir“ ist eh ein Cover.
    Wurde ursprünglich von Nicole gesungen.

  4. ThomasS

    Da ist schon was dran.
    Aber manches war früher wirklich qualitativ besser.

  5. ThomasS

    Die Melodie klingt eher wie ein Chanson und könnte so auch bei Charles Aznavour vorkommen. Aber so tief lässt sich im offiziellen Internet nicht graben.

  6. RT

    Wer sucht, der findet 😀

  7. ThomasS

    Jornalistenweisheit …?

  8. RT

    Lebensweisheit.

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