ZAPPER VOR ORT: Linie 1

SA 24.09.2016 | Berlin, Grips-Theater

„Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Kurfürstenstraße, Gleisdreieck. Möckernbrücke, Hallesches Tor, Prinzenstraße, Kottbusser Tor. Görlitzer Bahnhof, Schlesisches Tor!“
Das ist nicht irgendeine Aufzählung. Das sind Bahnhöfe in Berlin. Aber auch nicht irgendwelche. Diese Bahnhöfe liegen an der U-Bahn-Linie 1, und im Jahre 1986 sind sie erstmals besungen worden.
Höre ich diese Namen, dann habe ich auch sofort die dazu passende Melodie im Kopf.
Schon vor sehr langer Zeit habe ich den Film „Linie 1“ gesehen. Der Film entstand Ende der 80er basierend auf dem gleichnamigen Musicals des Grips-Theaters.
Das Originalstück im Originaltheater zu sehen – das stand schon sehr lange auf meiner Liste.

West-Berlin, Mitte der 80er: In dem Musical „Linie 1“ kommt ein junges Mädchen aus Westdeutschland am Bahnhof Zoo an. Sie ist auf der Suche nach ihrer großen Liebe und trifft in dem manchmal eher schmuddeligen Umfeld viele Menschen. Den jungen Typen, der ihr gleich helfen will, den Schwarm zu suchen. Reaktionäre Wilmersdorfer Witwen. Drogenabhängige. Traurige und lustige Menschen. Die ganze West-Berliner Bandbreite.

Das Auffällige ist: „Linie 1“ ist keineswegs unaktuell geworden. Mal abgesehen vom West-Berliner Hintergrund könnte diese Story auch 2016 genau so spielen. Denn es gibt sie ja alle immer noch: die kaputten Typen, die Drogenopfer, die Stalker. Die, die über alles meckern. Rechte. Linke. Liebespaare. Ökos, Rumspielende Kinder.
„Linie 1“ feierte in diesem Jahr das 30. Jubiläum der Erstaufführung und ist immer noch auf der Höhe der Zeit. Das macht dieses wunderbare, mitreißende Musical aus.
Die Songs gehen ins Ohr, sie sind zum Mitwippen und an anderer Stelle zum Mitheulen.

Ein echtes Urgestein ist übrigens auch dabei: Dietrich Lehmann (76) spielt seit 1986, also von Anfang an, im „Linie 1“-Ensemble. Wer den Film kennt, wird in sofort an seiner Stimme und an seiner Art erkennen. Er spielt den grantigen alten Mann und weitere Rollen im Stück. Wirklich sehenswert!
Das sind aber alle Schauspieler, allen voran die jungen Hauptdarsteller Davide Brizzi, Patrik Cieslik und Amelie Köder.
Nur die beiden Mädels Risi und Bisi haben in der aktuellen Besetzung etwas von ihrem Biss verloren. Nina Reithmeier und Ariane Fischer spielen die frechen Mädchen nicht ganz auf den Punkt, so dass ihr Witz nicht genug herausgehoben wird.

„Linie 1“ dauert drei Stunden, aber die vergehen wie im Flug. Das Stück ist immer noch unglaublich mitreißend, manchmal vergisst man echt, dass man da im Theater sitzt, obwohl die Kulissen nicht üppig sind. Aber sie reichen aus, um eine gute Illusion herzustellen.
Und wenn man dann mit der U-Bahn wieder nach Hause fährt (okay, mit der U9, nicht mit der U1) hat man viele, viele Melodien im Kopf.


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