ZAPPER VOR ORT: Fear

DI 27.10.2015 | Berlin, Schaubühne

Deutschland, im Herbst 2015. Eine Bestandsaufnahme.
Deutschland hat Angst. Vor den Fremden. Vor zu vielen Fremden. Vor Überfremdung. Davor, selbst weniger vom Kuchen abzubekommen. Davor, zu kurz zu kommen. Die, auf der einen Seite.
Die auf der anderen Seite klatschen den Flüchtlingen zu, wenn sie aus den Zügen steigen. Sie reißen sich den Arsch auf, um zu helfen, um die Lage irgendwie im Griff zu behalten.

Das Stück „Fear“, das derzeit an der Berliner Schaubühne zu sehen ist, ist hochaktuell, ist hochbrisant. Zwei Stunden lang sieht das Publikum eine Abfolge von Szenen, die das Thema von verschiedenen Seiten beleuchten sollen.
Und es ist beklemmend, das alles zu sehen. In komprimierter Form vorgesetzt zu bekommen, was hierzulande gerade abgeht. Was falsch läuft. Und es läuft viel falsch.

Da gibt es die Hassprediger von AfD, NPD, Pegida und Co. Die Lügenpresse-Schreie. Die Ängste, die Vorurteile, den Unsinn, vor dem so viele Menschen Angst haben, weil sie sich so sehr reinsteigern, dass gar nichts bleibt außer der Angst und dem Misstrauen. Wie Zombies, die von einem Virus erfasst werden.
Das sehen wir in einer der Szenen: Die Hassreden und die Menschen, die zu Zombies werden. Wir hören die besorgten Bürger. Aber wir bekommen auch den krassen Gegensatz vor Augen geführt: Die Bürger, die Angst haben, nicht mehr gebraucht zu werden, die kaum Kohle haben. Und die, die beklatscht werden, wenn sie aus den Zügen steigen. Zwei Welten, die aufeinanderprallen. Die Ängstlichen und die, die anpacken. Und sich gleichzeitig gegenseitig hochschaukeln in ihrer Wut.
Beide Seiten sehen nicht gut aus in dem Stück. Die Geschwätzigen genauso wie die, die gegen sie kämpfen. Gut und Böse – aber wie gut sind die Guten, und wie böse sind die Bösen, und warum sind die Bösen so böse?
Das Stück gibt keine Antwort, aber es wirft die Frage auf, über die man als Zuschauer mal nachdenken sollte.

„Fear“, Angst, handelt von eben jenem Gefühl. Und davon, dass sich jeder, der hier lebt, irgendwann fragen muss, wo er steht, wofür er steht, was er für sich erreichen möchte. Welches Ziele er hat. Oder möchte man sich ganz raushalten? Sich lieber um den Schrebergarten kümmern, ein bisschen Musik machen und die Politik draußen lassen?

Es gibt Augenblicke, wo das Stück ein bisschen platt erscheint, und vielleicht ist es auch nicht allzu kontrovers, weil es eventuell zu wenig die andere Seite der Gesellschaft beleuchtet, immer nur von scheinbar „linker Seite“ draufhaut.
Aber letztlich hat das Ensemble, der Autor Falk Richter schlicht und einfach eine Haltung, und die vertritt er sehr vehement. Gegen die Angst, gegen die Dummheit, gegen den Hass und dagegen, dass sich Menschen von diesem Hass und dieser Angst allzu sehr leiten lassen.

Ein sehr gutes Stück. Schauspielerisch interessant umgesetzt, stellenweise fallen die Darsteller aus ihren Rollen, um dem Publikum irgendwas zu erklären, warum dieses oder jenes im Stück nicht funktioniert. Das Bühnenbild ist mit ein paar Laufstegen und einem Glaskasten macht was her, die Lichttechnik ist gelungen, die Sounds und die Musik nahezu perfekt.
„Fear“ sorgt für staunen, für fesselnde Momente, für Entsetzen – aber macht irgendwie, so ein kleines bisschen Mut. Sich dagegenzustellen.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert