ZAPPER VOR ORT: Sind wir ein Volk?

MO 28.09.2015 | Berlin, Malzfabrik

Typisch! Vor dem Damenklo staut es sich mal wieder. Allerdings hat sich auch jemand vorgedrängelt, weshalb es nun noch ein bisschen länger dauert. Alles wartet auf die Moderatorin Maybrit Illner. Sie hat es ein bisschen eilig, schließlich muss sie ja gleich auftreten. Schon blöd, wenn die Halle, in der gut 150 Leute warten, nur zwei Klos hat – eins für Frauen und eins für Männer. Als Maybrit Illner sichtlich erleichtert wieder rauskam, durfte endlich auch die nächste Zuschauerin rein.

In der Malzfabrik in Berlin-Schöneberg ist am Montagabend die ZDF-Talkshow „Sind wir ein Volk?“ aufgezeichnet worden. In der 90-minütigen Sendung geht es um 25 Jahre deutsche Einheit. Um vergangene, andauernde und kommende Herausforderungen für das Volk. Zu Gast waren u.a. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, Comedian Michael Mittermeier, die Schauspieler Jan Josef Liefers und Katrin Sass und Journalist Hans-Ulrich Jörges. Die etwas überboulevardisierte Mischung war dann auch ein Schwachpunkt der Sendung.

Die Location ist jedoch sehr gelungen, zumindest für das Live-Publikum hatte es den Vorteil, alles überblicken zu können. Ich hatte einen tollen Platz hinter dem Podium – und sogar einen Tisch vor mir.
Der Anheizer betonte immer wieder, man wisse selber nicht so genau, ob das alles so funktioniere, was man sich da ausgedacht habe. Einerseits war diese gar nicht marktschreierische Art sehr angenehm, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein hätte aber dem Team auch gut gestanden.

Inzwischen kamen auch die Gäste und die immer noch erleichtert wirkende Maybrit Illner. Schade, dass sie immer sehr streng wirkt, die Haare recht hoch und streng toupiert, ein fest sitzendes Kleid – fast wie eine Puppe. Aber so streng-spröde ist sie eigentlich gar nicht, immer wieder machte sie kleine Witze, um sich und das Publikum locker zu machen. Sehr sympathisch.

Bevor die Aufzeichnung los gehen kann (die Show ist zwar nicht live, wegen einiger Gäste scheint es aber ein bestimmtes Zeitfenster zu geben, weshalb nicht getrödelt werden konnte), müssen jedoch noch einige Leute umgesetzt werden.
Zum Beispiel das ältere Ehepaar, das genau im Hintergrund von Maybrit Illner sitzt, also oft im Bild wäre. Zu alt, zu hässlich – man weiß es nicht. Angeblich liegt es am ungünstigen Hemd. Sie werden gegen zwei junge Leute ausgetauscht. Das gleiche Schicksal ereilt noch weitere Leute, die plötzlich in irgendeine Ecke gesetzt werden.
Nun ja, soll ja im Fernsehen gut aussehen…

Und dann kann es losgehen. Der Teleprompter zeigt Frau Illners Texte an – immer wenn Überleitungen zu Einspielfilmen aufgesagt werden, liest sie ab. Ansonsten spricht sie natürlich frei.
Als während eines Films Wolfgang Schäuble in seinem Rollstuhl dazu kommt, wird die Aufzeichnung unterbrochen. Für ihn muss ein wenig umgebaut werden. Sieht man natürlich in der Sendung dann nicht, wie der Anheizer immer wieder betont. Und man solle doch nichts verraten.
Ups.

Der Umbau dauert länger als geplant, wofür man sich zigmal entschuldigt. Dabei ist das für das Publikum gar nicht so tragisch, weil erstens das Ganze so lange gar nicht gedauert hat, und zweitens das alles immer noch spannend ist. Und Maybrit Illner macht darüber auch noch Scherze: Wenn der Besuch der Show furchtbar sei, solle man sagen, man war bei Sat.1.
Gelächter.

Am Donnerstagabend läuft die Sendung im ZDF. wenn ich sie da sehen würde, wäre es mir auf Dauer eventuell ein bisschen langweilig.
An einer Stelle wird deutlich, dass die Redaktion nicht ganz so gut vorgearbeitet hat: Es läuft ein Film über die Ost-West-Problematik im Harz. Danach wird Katrin Sass gefragt, was sie davon halte. Worauf sie nicht weiß, was sie dazu sagen soll, das Problem sei ihr neu. Ich vermute, dass die Stelle rausgeschnitten wird – die Show ist eh zu lang.

Auch das Konzept hat mich nicht komplett überzeugt: Wird am Anfang noch über die deutsche Einheit gesprochen, geht es am Ende um das Flüchtlingsproblem. Ein wichtiges Thema, aber irgendwie finde ich diesen thematischen ausführlichen Schlenker seltsam.
Nach gut zwei Stunden sind wir durch. Ich bekomme mit, dass es einigen Leuten nicht besonders gefallen hat, aber ich fand es ganz in Ordnung. Als Zuschauer hatte man eine spannende Zeit, das Team hat sich Mühe gegeben und das Ganze nicht ewig ausufern lassen. Da erlebt man beim Fernsehen echt schlimmere Sachen.

Und zu sehen bin ich, glaube ich, auch diverse Male. Das ist übrigens recht heikel, denn wenn man das auf dem Monitor sieht, mekt man, wie sehr man da eigentlich am Tisch flätzt. Also: ordentlich hinsetzen. Man will ja in der ZDF-Primetime schließlich einen guten Eindruck hinterlassen!


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